Sportwelt: Es ist ein Kreuz mit dem Rücken

Fit fürs Leben: Die Erfindung des Stuhls war ein drastischer Einschnitt, doch die passende Lebensweise wirkt Wunder / SZ/BZ-Serie (Folge 17)

Letzte Woche ging es schon am Rande darum, dass eine antientzündliche Ernährung bei Arthrose, generellen Gelenkbeschwerden und auch dem klassischen Rückenschmerz helfen kann. Aus welchen Gründen diese Probleme noch entstehen, und was man dagegen tun kann, das soll dieser Artikel heute aufklären.

Laut Robert-Koch-Institut leiden etwa 25 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen über 50 Jahren an Arthrose. Im Alter von 70 Jahren liegt der Prozentsatz nochmals deutlich höher (Männer 36 Prozent, Frauen 54 Prozent). Diese Entwicklung wird oft auf das ansteigende Alter geschoben – ebenso beim Rückenschmerz und allgemeinen Gelenkbeschwerden, welche mindestens 80 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Leben erleiden – Tendenz mit dem Alter steigend.
Der Mensch hat sich vor 3 Millionen Jahren zu einem aufrecht gehenden Lebewesen entwickelt. Dementsprechend hat sich der Körperbau nach und nach der veränderten Fortbewegungsart angepasst und seine Gelenkstruktur oder Knochenfestigkeit an diese ungewohnte Art der Belastung adaptiert. Dieser Prozess ging über Jahrtausende.
Gesessen wurde auf dem Boden, ab und zu mal auf Felsen und Baumstämmen oder – wie heute noch in Asien und Afrika üblich – in der tiefen Hocke. Nebenbei erwähnt: In diesen Ländern kennt man speziell Knieprobleme oder auch Rückenprobleme deutlich weniger.
Die Erfindung des Stuhls war ein drastischer Einschnitt in das Leben der Menschen. Ursprünglich als kurze Ruhemöglichkeit nach einem langen, harten Tag der Feldarbeit gedacht, hat er sich heute zu dem Möbelstück entwickelt, auf dem der Durchschnittsdeutsche die meiste Zeit des Tages verbringt – statistischen Erhebungen zufolge acht Stunden pro Tag. In den USA sitzen die Menschen angeblich sogar 13 Stunden pro Tag.
Das Nervensystem und das Gewebe, Muskeln, Sehnen und Bänder nehmen diese sitzende, gebeugte Haltung somit als die natürliche Position hin und gewöhnen sich an sie. Wenn man sich vor Augen führt, dass viele Menschen auch in einer gebückten Position schlafen, ist es nicht verwunderlich, dass der Körper diese gebückte Position normaler empfindet als einen aufrechten Stand oder Gang. Wenn man es genau nimmt, sind wir gerade dabei, uns wieder zu einem gebückten Lebewesen zurückzuentwickeln.
Wenn es also nicht einen Ausgleich durch Mobilisations- und Kräftigungsübungen gibt und uns ab und zu in die Gegenrichtung strecken bzw. dehnen wie bei der „Kobra“ und dem „Kamel“ aus dem Yoga oder auch an speziellen Mobilisationsgeräten im Fitnessstudio, darf es uns nicht wundern, dass permanent der Körper bzw. der Rücken weh tut – der Körper will doch nur in seine gewohnte, gebückte Haltung zurück, in der er sich 8 bis 16 Stunden am Tag befindet.
Es braucht Druck und Zug
Der Knorpel, der sich auf Gelenkflächen befindet, benötigt Druck, also körperliche Belastung, Krafttraining und so weiter, um den Abtransport von Stoffwechselendprodukten zu gewährleisten. Wie bei einem Schwamm wird durch Druck Flüssigkeit und damit auch der Müll herausbefördert.
Ebenso braucht es Zug benötigt, also eine Situation, in welcher der Gelenkknorpel Entlastung erfährt, wie bei gezielten Dehnübungen oder mobilisierenden Bewegungsformen wie dem Yoga. Dieses Auseinanderziehen der Muskeln sorgt dafür, dass das Gelenk in Ruhe entlastet ist und somit frische Flüssigkeit und frische Nährstoffe aufgenommen werden können.
Wir brauchen beides. Durch eine gute Balance zwischen Druck und Zug wird die Versorgung gewährleistet. Auch unsere Gelenke benötigen also eine sinnvolle Balance zwischen Belastung und Erholung. Deswegen ist individuell gesteuertes Krafttraining genauso wichtig wie die Mobilisierung und das Dehnen.
Warum das Thema Arthrose mit dem Thema Rückenschmerzen in einem Artikel steht? Die allen bekannten Bandscheiben sind Knorpelflächen zwischen den einzelnen Wirbeln – also auch diese sind auf Druck und Zug, auf Bewegung in alle Richtungen, angewiesen, damit sie gut versorgt werden und möglichst lange frisch und funktionsfähig bleiben. Die Erklärung, warum Menschen Arthrose und Rückenschmerzen bekommen, ist nicht alleine auf das Alter zurückzuführen – man hat es im Laborversuch geschafft, Knorpel bis zu 120 Jahre frisch und gesund zu erhalten und auch jüngere Menschen sind von Gelenkbeschwerden betroffen.
Neben einer gesunden Ernährung (siehe die Artikel zur Entschlackung und zu Entzündungen) benötigen der Körper und die Gelenke wohldosierte Belastung und Mobilisation. Sinnvoll aufgebautes Krafttraining in einer guten Balance mit Übungen zur Dehnung und Mobilisation der Gelenke machen uns schmerzfrei und belastbar – Sitzen und permanente Ruhe lassen uns einrosten. Wer über Jahre und Jahrzehnte gesund lebt, auf seine Ernährung achtet, sich viel bewegt, Kraftbelastungen und Mobilisation in der Balance hält und ein Ausgleich zu den fehlenden Belastungen im Beruf schafft, der reduziert auch im höheren Alter die Wahrscheinlichkeit für Gelenkschmerzen, Bandscheibenvorfälle und Arthrose.
Bild: Sitzen belastet auf Dauer die Wirbelsäule. Die Schmerzgrenze ist da schnell erreicht. Bild: SciePro – Adobe Stock
Quelle: SZ/BZ-Online