Fußball: Sehnsucht einer Kicker-Seele

Fußball: Sehnsucht einer Kicker-Seele

Bis 10. Januar geht erst mal gar nichts, dann könnte der Ball langsam wieder ins Rollen kommen. Fakt ist: Auf den Spätherbst ohne Fußball folgt ein Winter ohne Budenzauber. Wie sich das anfühlt und was danach kommen könnte, verrät der sportliche Leiter des VfL Sindelfingen, Thomas Dietsche.

Das komplette Gespräch gibt es in voller Länge kostenlos auf bei „Willi und Dödel“, Auszüge gibt es hier.

Kein Fußball, das bedeutet viel Zeit. Ist das gut?

Thomas Dietsche: „Ich finde es schwierig ohne Fußball. Mir fehlen total die Wochenenden, die Anspannung vor dem Spiel, dass es um etwas geht. Das gehört seit 40 Jahren zu meinem Leben, das ist weg im Moment. Es fehlt was – und es fehlt schon sehr.“

Was muss man denn an einem Spieltag manchen als sportlicher Leiter?

Thomas Dietsche: „Am Spieltag ist das gar nicht so furchtbar viel. Ich bin vor dem Spiel in der Kabine, um mit dem Trainer ein paar Worte zu sprechen. Bei Heimspielen filme ich ab und zu tatsächlich selbst, und manchmal schaue ich mir das Spiel ähnlich wie einst Ewald Höhn (ehemaliger Abteilungsleiter, Anmerkung der Redaktion) eine Halbzeit ganz alleine irgendwo in der Ecke an. Manchmal kann ich das biergesellige Beineinandersein am Ständle und am Eckle gar nicht haben. Und manchmal ist es genau umgekehrt, dann will ich bei den anderen Jungs stehen.“

Als Spieler und als Trainer galten Sie als Hundertprozentiger auf dem Sportplatz. Da wurde es auch mal laut. Hinterher gab man sich die Hand, trank ein Bier und alles war gut. Ist das heute auch noch so?

Thomas Dietsche: „Ja. Und das ist doch das Entscheidende. Es ist schon so, dass man gewisse Emotionen auf dem Platz leben kann. Es darf nicht persönlich beleidigend werden, aber es darf in der Hektik schon mal was rausrutschen. Entscheidend ist, sich hinterher die Hand zu geben, zu gratulieren und dann gewisse Dinge bei einem Bier zu besprechen.“

“Ich glaube, dass alle die Abstriche in Kauf nehmen würden um endlich wieder spielen zu können”

Gibt es Leute, mit denen Sie sich hinterher nicht mehr vertragen haben?

Thomas Dietsche: „Nein, eigentlich nicht.“

Sind Fußballer so?

Thomas Dietsche: „Ich glaube schon. Da heißt es Mund abwischen, jetzt ist wieder gut.“

Gerade wird überhaupt nicht mehr gespielt. Diese Woche soll es eine Videokonferenz geben. Wie geht es weiter?

Thomas Dietsche: „Ich glaube, dass die Saison weitergeht, aber nicht, dass sie zu Ende gespielt wird. Wir haben noch sieben Vorrundenspiele und 19 Rückrundenspiele, und für ein Mittwochspiel in Wangen musst du einen halben Tag Urlaub nehmen. Ich glaube, und das betont der WFV ja immer wieder, dass es darum geht, bis zur Hälfte der Saison zu kommen, damit gewertet werden kann und um Auf- und Abstieg zu regeln. Was dann folgt, ist abhängig davon, wann es weitergeht. Aber ich glaube, dass alle die Abstriche in Kauf nehmen würden um endlich wieder spielen zu können.“

Wie viel Vorlauf braucht es, um wieder spielen zu können?

Thomas Dietsche: „Du brauchst mindestens vier Wochen Vorbereitung. Sollte die Politik ab Mitte Januar lockern – und ich halte es für möglich, draußen zu trainieren, wenn man zum Beispiel die Umkleiden nicht aufmacht – könnte man ab Mitte Februar wieder spielen. Aber da ist man auch abhängig von der Witterung.“

Für die Spieler ist es schwierig, denn sie können nicht spielen. Wie ist denn gerade die Praxis für einen sportlichen Leiter? Sie müssen Kader planen und können nicht beobachten.

Thomas Dietsche: „Man hat so sein Netzwerk. Mit Roberto Klug haben wir einen Trainer, der im Kreis auch extrem gut vernetzt ist und der sich schon vor Beginn dieser Saison Gedanken gemacht hat, wie er die Mannschaft weiterentwickeln will. Schon jetzt gibt es Namen, die wir auf dem Zettel haben. Das macht man nicht abhängig von ein oder zwei Spielbeobachtungen.“

Der VfL ist der ranghöchste Verein im Umkreis. Kommen da die Spieler von alleine auf einen zu?

Thomas Dietsche: „Grundsätzlich ist es so, dass wir in der Verbandsliga mit anderen Werten punkten müssen als andere Vereine. Bei uns sind das die Möglichkeiten, sich zu entwickeln, ein gut funktionierendes Team, eine tolle Mannschaft und gute Rahmenbedingungen. Wir haben zwei Kunstrasenplätze, einen Athletiktrainer, medizinische Versorgung. Damit kann man sehr viele vor allem Junge begeistern, sich dem VfL anzuschließen.“

Und es gibt Fan-Trikots.

Thomas Dietsche: „Unser Stadionsprecher Hansdieter Kirchhoff hat in Dorfmerkingen gesehen, dass jede Menge Zuschauer das Trikot trugen. Er meinte, das könnten wir doch eigentlich auch machen. In der Zwischenzeit haben wir bestimmt 50 Trikots verkauft. Es bilden sich schon Fangemeinschaften von Leuten mit dem gleichen Trikot. So gibt es sieben oder acht Trikots mit der Nummer 29 und dem Namen Schechinger. Das sieht am Spielfeldrand einfach toll aus, das sagen auch die Spieler.“

“Daimler tut sich einen 
extremen Gefallen, den Junior Cup weiter voran zu treiben, weil er inzwischen Kult ist. Ich kenne wirklich niemand, der ihn nicht kennt.”

Gehört zu diesen Rahmenbedingungen auch die Hallen-Gala, die in diesem Jahr ausfällt?

Thomas Dietsche: „Ja. Zum einen generieren wir hier einen massiven Teil unserer Einnahmen. Aber Spieler wechseln auch zu uns und sagen, sie freuen sich darauf, bei der Hallen-Gala im VfL-Dress aufzulaufen. Dazu ist es ein Turnier, bei dem sieht, wie alle mit anpacken. Das gilt natürlich auch für den GSV Maichingen. Verbunden ist er mit dem Mercedes-Benz Junior Cup, der extrem wichtig ist.“

Kommt der Junior Cup wieder?

Thomas Dietsche: „Ich finde, Daimler tut sich einen extremen Gefallen, das Turnier weiter voran zu treiben, weil es inzwischen Kult ist. Ich kenne wirklich niemanden, der es nicht kennt. Es wird ja inzwischen auch im Fernsehen übertragen, und ist einfach eine Prestigesache. Hallen-Gala und Junior Cup sind für die Region eine super Kombi, bei der es sehr viele Beteiligte gibt, die etwas davon haben.“

Zur Person: 
Thomas Dietsche wechselt in der Saison 1989/90 vom FSV Deufringen zum VfL Sindelfingen, mit dem er in die Oberliga aufstieg und dort ein weiteres Jahr spielte. Damals war das noch die dritthöchste Liga, die 3. Liga und die Regionalliga gab es noch nicht. Danach wechselte er zum TV Darmsheim und stieg unter Trainer Rainer Kuppinger von der Verbandsliga in die Oberliga auf. Trainer war er in Kuppingen und zweimal beim VfL Sindelfingen (insgesamt 10 Jahre). In der Saison 2012/13 wurde er Meister mit dem VfL in der Landesliga, was den Aufstieg in die Verbandsliga bedeutete. Der 58-Jährige ist IT-Organisator bei der Allianz, hat zwei Töchter und eine Enkeltochter.

Bild: „Ich finde es schwierig ohne Fußball. Mir fehlen total die Wochenenden, die Anspannung vor dem Spiel, dass es um etwas geht. Das gehört seit 40 Jahren zu meinem Leben, das ist weg im Moment“, sagt Thomas Dietsche. Bild: Photostampe/A

Quelle: SZ/BZ-Online