Leichtathletik: „Unser familiärer Zusammenhalt ist einmalig“

Leichtathletik: Acht Abteilungsleiter prägten den VfL Sindelfingen in ihrer Amtszeit ganz besonders /SZ/BZ-Serie über die Geschichte der VfL-Leichtathleten (Folge 5)

Im Jahr 1920 – der Erste Weltkrieg ist vorbei – erfährt auch der Sport einen Neuanfang. Einige beherzte junge Männer der „Freien Turnerschaft“ gründen in Sindelfingen eine Leichtathletik-Abteilung, aus der sich mit den Jahren eine Leichtathletikhochburg in Baden-Württemberg entwickelt. In der fünften Folge geht es um die acht Männer, die die Leichtathletikabteilung des VfL Sindelfingen in ihren 100 Jahren als Abteilungsleiter prägten.

Den Anfang machten Wilhelm Bernritter und später Eugen Stolz, es folgte Oskar Reuff und Fritz Kratschmann. Mit Otto Welker entwickelte sich die Abteilung zur Leichtathletik-Hochburg. Sein Nachfolger Dieter Gauger prägte den Verein 15 Jahre lang, auf ihn folgte für ein gutes Jahrzehnt Markus Graßmann, seit drei Jahren ist Jürgen Kohler im Amt.

 

Als einer der Gründungsväter der modernen Leichtathletik in Sindelfingen gilt Otto Welker. Er war von 1962 bis 1990 Leiter der Leichtathletik-Abteilung und stand dem Verein bis zu seinem Tod als Ehren-Abteilungsleiter mit Rat und Tat zur Seite. Als Schatzmeister des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes von 1965 bis 1990 und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes von 1990 bis 2001 unterstützte er die Verbandsarbeit mit vollem Engagement und war auch International stets mit dabei. Außerdem war er gemeinsam mit Hans Jooß Teil des Organisationskomitees bei der Weltmeisterschaft 1993 in Stuttgart. Otto Welker wurde immer wieder als der „Vater des Glaspalastes“ bezeichnet. Den Sindelfingern bescherte er die Ausrichtung der Hallen-Europameisterschaften 1980 und formte dann mit seiner starken Mannschaft, Jooß-Gießler-Gauger-Bohr den VfL Sindelfingen zu einem international erfolgreichen Leistungssport- und Veranstaltungsverein. Als Dieter Gauger im Jahr 1990 als Abteilungsleiter antrat hatte der VfL Sindelfingen viele erfolgreiche Jahre hinter sich. Gauger war einst 1962 zu den Blau-Weißen gekommen und gewann als Hoch- und Dreispringer baden-württembergische Meistertitel. Bald gab er sein Wissen als Trainer weiter. 1987 erlebte er hautnah das bis dahin erfolgreichste Jahr der Leichtathleten mit elf deutschen Meistertiteln.

 

Unglücklicherweise mussten die Leichtathleten in den neunziger Jahren den Verlust zweier wichtiger Sponsoren und einen Gewerbesteuereinbruch verkraften. Es folgten Geldsorgen und die Einführung des Abteilungsbeitrags. Mit Eberhard Elsässer konnte 1997 aber ein wichtiger Sponsor gewonnen werden, der die Sindelfinger Leichtathleten inzwischen seit Jahrzehnten als Hauptsponsor begleitet. Bei den Jugendlichen entwickelten sich Talente wie Stefan Holz, Tobias Unger, Michael Schwab, Holger Vogelgsang, Marcus Skupin-Alfa und Simone Beutelspacher, die im Jahr 1999 zehn deutsche Meistertitel gewannen. Ein Höhepunkt in Gaugers Amtszeit waren sicherlich die Olympischen Spiele 1996 mit der Teilnahme von Hürdensprinterin Birgit Wolf . „Im Anschluss hat sie die Leichtathletikschule Speedy aufgebaut, eine gute Sache, die bis heute Bestand hat“, erzählt Gauger. Gerne erinnert er sich auch an die Senioren-Weltmeisterschaften im Jahr 2004. „Das war für die ganze Abteilung eine tolle Sache und hat uns zu einem Leichtathletik-Aushängeschild gemacht. Für mich war es der emotionale Höhepunkt.“ Als Dieter Gauger nach 15 Jahren an der Spitze auf eine erneute Kandidatur verzichtete, fiel die Wahl 2005 auf Markus Graßmann. In den 80er-Jahren war er als Diskus- und Hammerwerfer bei den Blau-Weißen selbst aktiv und wurde von der Hauptversammlung einstimmig zum Nachfolger von Gauger gewählt. Oberste Priorität hatte für ihn, dass der Verein als Veranstalter und auch im Leistungssport Spitze bleibt. Zusätzliche Trainer sollten her, um die nicht zuletzt in der Leichtathletik-Schule „Speedy“ von Birgit Hamann reichlich vorhandenen Talente im Jugendalter weiter nach vorne zu bringen. „Ich habe versucht, eine Erfolgsstruktur aufzubauen und zusätzliche Trainer zu holen, denn dann kommen die guten Athleten von ganz alleine“, sagt Graßmann, der außerdem für eine Verbreiterung der Disziplinen und mehr Vielfalt im Läuferclub auftrat. Etliche der damals neu in die Sindelfinger Reihen aufgenommenen Trainer, sind wie Sebastian Marcard oder Peter Salzer heute noch da. „Toll finde ich, dass damals viele Leistungsträger der Vergangenheit ins Team gekommen sind und Verantwortung übernommen haben. Unser familiärer Zusammenhalt ist einmalig“, erinnert sich Graßmann. Absoluter Höhepunkt die Olympia-Teilnahme 2016 in Rio von Nadine Hildebrand, Tobias Dahm und Paralympics-Sieger Niko Kappel. „Nach Nikos Sieg war das damals ein riesiger Hype. Große Freude haben mir damals aber auch immer unsere Hallenveranstaltungen gemacht, da waren drei Generationen am Werk, die eng zusammenarbeiten.“

 

Im Frühjahr 2017 übernahm Jürgen Kohler das Amt des Abteilungsleiters. Er konnte im vergangenen Jahr mit dem Gewinn von gleich drei Deutschen Meistertiteln in Berlin und zwei Teilnehmern an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha sein erfolgreichstes Jahr erleben. „Wir haben ein starkes Vorstandsteam mit viel Herzblut für die Sindelfinger Leichtathletik.“

 

SERIE

 

In 16 Folgen stellt die SZ/BZ jeden Freitag die Geschichte der VfL-Leichtathleten nach. In Folge 6 am 21. August geht es um die Helfer der Leichtathletik-Abteilung.

Quelle: SZ/BZ-Online