Judo: „Das wird familiärer Hochleistungssport“

Wenn Judokas zum Großkampftag bitten, geht es mächtig zur Sache. Etliche kräftige Helferhände packen an, um den Glaspalast für das Wochenende in eine imposante Kampfsport-Arena zu verwandeln. Und vor den Toren baut sich dann eine regelrechte Zeltstadt auf. Der VfL Sindelfingen lädt ein, etwa 1000 Kämpfer gehen ab Samstag auf die Matten.
Der Judo-Abteilungsleiter Andreas Wegner hatte noch genug Puste für ein Interview mit der SZ/BZ.
Was macht das Turnier so besonders?
Andreas Wegner (Bild: z): „Wahrscheinlich die Mischung aus hochkarätigem Sport und dem besonderen Ambiente. Wir sprechen hier ab der U11 von familiärem Hochleistungssport. Für Holländer und Franzosen ist das traditionell der Saisonabschluss. Wenn die brasilianische Nationalmannschaft je nach olympischem Zyklus in Euro ist, kommt sie sehr gerne zu uns nach Sindelfingen. Aus Frankreich und Holland haben schon zwei Leistungszentren gemeldet.“
Wer geht dieses Mal an den Start?
Andreas Wegner: „Das kann ich noch gar nicht genau sagen. Bis jetzt sind Kämpfer aus 13 Nationen gemeldet. In der Jugend wird es wieder absolut hochklassig. Die ganz großen Stars sind bei den Erwachsenen dieses Mal wohl nicht dabei, aber auch hier wird es äußerst anspruchsvoll. Etwa bei 1000 Kämpfern fängt der Spaß bei uns an.“
Die schlafen alle in Zelten?
Andreas Wegner: „Nein, aber so an die 200 in etwa 100 Zelten.“
Darf man das einfach so?
Andreas Wegner: „Dafür braucht man eine Genehmigung. Die haben wir natürlich. Unter anderem muss man ja auch sanitäre Anlagen vorhalten.“
Wo sind die?
Andreas Wegner: „Bei den Jugendkabinen der Fußballer. Die sind rund um die Uhr geöffnet und werden ständig gereinigt.“
Die Menschen haben sicher auch Hunger.
Andreas Wegner: „Na klar. Deshalb gibt es zum Beispiel auch ein ausgiebiges Frühstück, um das sich die Familie Häßner mit Team kümmert. Unsere Peikerts werfen dagegen den Grill an.“
Was gibt es da zu Essen?
Andreas Wegner: „Gar nicht so eine schlechte Auswahl. Natürlich Wurst und Steaks oder Schnitzel, für unsere muslimischen Gäste Pute. Außerdem Kartoffelsalat oder Obstbecher mit frischen Früchten aus der Region. Die sind bei den heißen Temperaturen besonders beliebt. Und Ann-Marie Fischer macht Crêpes in allen Variationen.“
Wo übernachten die anderen Gäste?
Andreas Wegner: „Mit Christian Hempel vom Torgauer Hof haben wir einen der Hauptsponsoren glücklicherweise im Vorstand. Er hat schon einige Zimmer reserviert und fragt immer rechtzeitig bei seinen Kollegen aus der Hotel-Szene an.“
Das klingt alles ziemlich eingespielt. Sie haben also ihre Mannschaft schon eingeteilt.
Andreas Wegner: „Ja, anders geht es nicht. Das beginnt schon beim Aufbau, wir haben ja nicht einmal genügend Matten. Man muss sich die Dimensionen mal vor Augen halten: Beim European Cup wird auf drei Matten gleichzeitig gekämpft, bei uns sind es sieben. Das wiederum auf einer Fläche zwischen 800 und 900 Quadratmetern.“
Wo kommen die zusätzlichen Matten her?
Andreas Wegner: „Von befreundeten Vereinen. Die meisten aus Heilbronn, einige aber auch aus Pforzheim. Diese holen wir dann mit dem Lkw. Verlegt sind sie dann in zwei bis drei Stunden.“
Haben Sie noch so ein griffiges Beispiel zur Organisation?
Andreas Wegner: „Besonders beeindruckend finde ich die EDV. Los geht es beim Wiegen. Die elektronische Waage schickt die Daten unmittelbar nach dem Wiegen an den Großrechner, der die Duelle je nach Alter und Gewichtsklasse festlegt. Dabei gibt es einige Ausschlusskriterien. Zum Beispiel, dass ein Spanier nicht gegen einen Spanier kämpfen darf – denn das könnten sie auch in Spanien erledigen und müssten dafür nicht nach Sindelfingen reisen. Auch danach bleibt es interessant.“
Inwiefern?
Andreas Wegner: „Das Punktesystem ist nicht immer so einfach zu durchschauen. Von allen sieben Kämpfen gleichzeitig gehen alle Wertungen in Echtzeit über eine App aufs Handy. So können die Zuschauer auf der Tribüne ziemlich gut verfolgen, was da unten los ist.“
Respekt, Disziplin, Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit. Höflichkeit
Wie lange bereitet man so ein Turnier vor?
Andreas Wegner: „Ich sage mal, dass wir das vom kommenden Wochenende schon im September analysieren und dann spätestens im Januar konkret an die Planung für nächstes Jahr gehen.“
Der Aufwand ist groß. Wie wichtig ist das Turnier für den VfL Sindelfingen?
Andreas Wegner: „Das hat zwei Komponenten. Zum einen geht es ums Finanzielle, dann auch ums Selbstverständnis.“
Das Zweite zuerst bitte.
Andreas Wegner: „Das Turnier ist unheimlich wichtig für den Zusammenhalt und für die Zukunft des Vereins. Verein an sich ist in unserer Gesellschaft ein Auslaufmodell. Wenn alle aber ein gemeinsames Ziel verfolgen, schweißt das zusammen.“
Wie ist da der Trend beim VfL?
Andreas Wegner: „Judo-Sparten verlieren in der Regel pro Jahr zwischen vier und fünf Prozent ihrer Mitglieder. Wir haben uns dagegen in den letzten drei bis vier Jahren von rund 300 auf 430 gesteigert und wollen bald die 550er-Marke erreichen.“
Und das gelingt durch solche Turniere?
Andreas Wegner: „Diese tragen dazu bei – und das ist die zweite Komponente. Wir verdienen hier die Euros, die wir brauchen, um unsere beiden hauptamtlichen Trainer zu bezahlen. Ohne eine gewisse Professionalität geht es einfach nicht. Sonst könnten wir weder in die Kindertagesstätten gehen, noch qualitativ hochwertiges Training anbieten. Beides macht sich bezahlt.“
Was hat ein Kind davon, wenn es beim Judo einsteigt?
Andreas Wegner: „Körperlich wird erst einmal alles geschult. Ich nenne nur ein Beispiel. Es lernt hinzufallen. Es ist sicher nicht verkehrt, das zu können, wenn es Probleme mit dem Fahrrad oder dem Moped gibt. Und mindestens so wichtig sind die Werte, die wir vermitteln. Respekt, Disziplin, Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit. Höflichkeit.“
Warum lohnt es sich, am Wochenende im Glaspalast vorbeizuschauen?
Andreas Wegner: „Weil es da Judo auf hohem Niveau gibt und es nicht einmal Eintritt kostet. Da kann man doch gerne einfach mal vorbeischauen.“
Info
Gekämpft wird im Glaspalast am Samstag und Sonntag ab 9 Uhr, das Ende ist jeweils auf 17 Uhr angesetzt.
Jürgen Wegner ist gebürtiger Sindelfinger, spielte jahrelang für die VfL-Fußballer und verfolgt seit Kindesbeinen die Geschicke des Vereins.
Der Glaspalast bekommt am Wochenende einen ganz besonderen Campingplatz.
Quelle: SZ-BZ Online