Behinderten- / Rehasport: „Es liegt allein in Gottes Hand“

Quelle: SZ-BZ Online
155 deutsche Starter gehen bei den Paralympics in Rio de Janeiro an den Start. Einer davon ist Uwe Herter. Der seit einem Fahrradunfall vor 18 Jahren querschnittsgelähmte Bogenschütze vom VfL Sindelfingen kämpft am kommenden Freitag im so genannten Sambodromo um die Medaillen.
Nach dem Qualifikationswettkampf am Samstagnachmittag musste Uwe Herter ganz tief durchschnaufen. Das lag in erster Linie nicht am Ergebnis, sondern an den Magen-Darm-Problemen, die ihm ausgerechnet am Tag seines ersten olympischen Wettkampfes große Probleme bereiteten. Am Ende qualifizierte sich der 55-jährige Bogenschütze vom VfL Sindelfingen mit einem ordentlichen achten Platz für den Finalwettkampf am kommenden Freitag.
„In Anbetracht der Magen-Darm-Infektion, die ich gerade hinter mich bringe, ist das ein ganz gutes Ergebnis“, sagte der querschnittsgelähmte Herter nach dem Qualifikationswettkampf, der mittels 72 geschossener Pfeile ermittelte, wer am Freitag im K.-o.-System gegen wen antreten muss und Uwe Herter mit dem Briten John Cavanagh in Runde eins einen unbequemen Gegner bescherte. „Gegen John Cavanagh habe ich noch nie gewinnen können“, sagt Herter, der bei einem Erfolg im Viertelfinale auf den Türken Asik Omer treffen würde. „Gegen ihn habe ich noch nie geschossen“, verrät der für den VfL Sindelfingen startende Softwareingenieur.
Zum Bogenschießsport kam der gebürtige Balinger Herter vor 18 Jahren. Nach einem schweren Fahrradunfall, der ihn fortan an den Rollstuhl fesselte, wurden ihm in der Reha Tischtennis und Bogenschießen angeboten. Herter entschied sich für Letzteres, da beim Bogenschießen die Oberkörpermuskulatur, Geist und die Koordination gleichermaßen beansprucht werden. Weil er gleich große Fortschritte machte, blieb er beim Bogenschießsport. In der Schützengilde Ditzingen hatte Uwe Herter dann das Glück, mit namhaften Bogenschützen trainieren zu können.
Mit dem Compoundbogen, bei dem ein Teil des Kraftaufwandes an der Sehne über Rollen verteilt wird, qualifizierte er sich 2011 erstmals für die deutsche Behinderten-Nationalmannschaft und belegte bei der Weltmeisterschaft in Turin einen starken achten Rang. Über die Bogengruppe des VfL Sindelfingen kämpfte er sich in die nationale Spitze, und zwar sowohl bei den Behindertensportlern als auch bei den Aktiven.
Um bei seinem bisherigen Karrierehöhepunkt in Rio de Janeiro perfekt vorbereitet zu sein, ist Herter bereits seit dem 1. September in Brasilien. „Zur Eingewöhnung hatten wir erst einmal fünf Tage zur Akklimatisierung, danach haben wir mit dem Training begonnen“, sagt der 55-Jährige. Seine Familie hat Herter in Brasilien nicht dabei, der Grund dafür ist einfach.
„Ich wohne im paralympischen Dorf, da dürfte meine Familie gar nicht rein“. Von Rio de Janeiro hat Uwe Herter bisher nicht allzu viel gesehen. „Das tägliche Leben besteht im Moment vor allem aus den 90-minütigen Busfahrten zwischen dem paralympischen Dorf und der Schieß-Arena Sambodromo auf den verstopften Straßen von Rio“, so Herter, der sich nach Möglichkeit aber auch gerne noch den ein oder anderen paralympischen Wettkampf als Zuschauer anschauen möchte. Für einen Besuch an der legendären Copacabana hat es immerhin schon gereicht.
Herters eigenes sportliches Abschneiden wird indes auch in Sindelfingen genauestens verfolgt, auch wenn das gar nicht so einfach ist. „Wir versuchen natürlich die Wettkämpfe von Uwe zu sehen, auch wenn es äußert schwierig ist, herauszufinden wann genau er antritt, geschweige denn einen Livestream zu finden. Sonst hätten wir auch auf jeden Fall ein gemeinsames Public Viewing bei den Wettkämpfen von Uwe organisiert“, sagt Martin Wintermantel, der Abteilungsleiter des Behinderten- und Rehasports beim VfL Sindelfingen.
Ob Public Viewing in der Heimat oder nicht, am kommenden Freitag (20 Uhr deutscher Zeit) geht es für Uwe Herter in Rio um die Medaillen. „Es ist Gottes Gnade, dass ich hier in Rio dabei sein darf. Ich bin gespannt, was geschehen wird, es liegt allein in Gottes Hand“, sagt der Bogenschütze des VfL Sindelfingen, wenige Tage vor dem größten Wettkampf seiner Karriere.