Schwimmen: „Das Sportbecken ist unsere Lebensader“

Auf die Schwimmabteilung des VfL Sindelfingen kommen spannende Zeiten zu. Erst sollen für 2,3 Millionen Euro die technischen Anlagen im Badezentrum saniert werden. Dann steht auch noch eine komplette Neuausrichtung im Raum, vielleicht sogar mit der ganz großen Lösung und einem Investor, der bis zu 60 Millionen Euro in die Hand nehmen soll. Dr. Reinhard Ernst ist seit rund zwei Monaten offiziell als Sparten-Chef im Amt und muss seine Abteilung darauf vorbereiten.

Die SZ/BZ hat sich mit Dr. Reinhard Ernst über große und kleine Baustellen unterhalten.

Welche Bedeutung hat die VfL-Schwimmabteilung für Sindelfingen?

Dr. Reinhard Ernst: „Vielleicht kann man dazu ein paar Zahlen nennen. Bei der Delegiertenversammlung hieß es, der VfL Sindelfingen hat rund 9000 Mitglieder. In der Schwimmabteilung sind es 1700. Der absolute Großteil gehört zur Schwimmschule, wo Kinder und Erwachsene schwimmen lernen. In den drei Trimestern pro Jahr sind 1200 Plätze belegt. Die Bedeutung geht also weit über den Leistungssport hinaus.“

Wie bewerten Sie den sportlichen Bereich?

Dr. Reinhard Ernst: „Der VfL hat den Anspruch, sich auf Bundesniveau zu bewegen und hat sich einen klingenden Namen erarbeitet. Traditionell bringt der Verein erstklassige Schwimmer hervor, ist bei großen Wettbewerben wie bei Europameisterschaften vertreten. Die letzten Jahre zehrten wir ein wenig von Björn Hornikel, der Sindelfingen unter anderem bei den Olympischen Spielen in Rio ins Rampenlicht stellte. Insgesamt zeigt die Kurve wieder deutlich nach oben. Etwa 60 bis 70 Sportler betreiben bei uns Leistungssport auf hohem Niveau.“

Ist der Schwimmsport ein Selbstläufer?

Dr. Reinhard Ernst: „Was die Schwimmschule angeht, auf jeden Fall. Wir können gar nicht alle Kinder unterbringen, die bei uns mitmachen wollen. Im Bereich des Leistungssports muss man natürlich selbst aktiv werden, um etwas zu bewegen.“

Wir können gar nicht alle Kinder unterbringen, die bei uns mitmachen wollen

Wie machen Sie das?

Dr. Reinhard Ernst: „Wir sind zum Beispiel sehr froh darüber, dass wir zum ersten Mal eine Stelle im sogenannten Freiwilligen Sozialen Jahr besetzen. Patrick Perez aus Reutlingen wird uns ab September unterstützen. Diese Stelle soll langfristig jedes Jahr neu belegt werden. Sie soll vor allem Schwimmern im Zwischenabschnitt zwischen Schule und Ausbildung eine Zeit der Orientierung ermöglichen, die Abteilung profitiert dabei in der Verwaltungs- und Übungsleitertätigkeit im Breiten- und Leistungssport. Ein anderes Beispiel ist Peter Waldenmaier, der ursprünglich aus der Leichtathletik kommt und das Marketing übernimmt. Strukturell sieht es gut aus.“

Wie haben Sie das Bad kennengelernt?

Dr. Reinhard Ernst: „Zum ersten Mal bei den deutschen Jahrgangsmeisterschaften 1987, als große Tribünen aufgebaut waren, die Wohnwagen ums Badezentrum wie ein kleines Schwimmer-Dorf waren. Man konnte sich auch wunderbar im angrenzenden Freibad ein- und ausschwimmen. Aber ich weiß auch noch, wie ich als Rückenschwimmer Probleme wegen der Deckenstruktur bekam. Hier kann man leicht die Orientierung verlieren.“

Welchen Ruf hat das Badezentrum in Deutschland?

Dr. Reinhard Ernst: „Man kennt es und man mag es bundesweit. Mit persönlich gefällt zum Beispiel auch sehr, dass es Platz bietet und die Wände nicht direkt neben dem Becken stehen.“

Jetzt stehen drei Szenarien im Raum, wie sich das Bad verändern könnte. Die Modelle reichen von der Sanierung im Bestand bis zum Spaß- und Wellnessbad mit Saunalandschaft, bei dem ein externer Investor bis zu 60 Millionen Euro in die Hand nehmen soll. Wie ist hier Ihre Position?

Dr. Reinhard Ernst: „Zunächst einmal die, dass es bis dahin wohl noch dauert. Ich glaube nicht, dass hier vor 2020 etwas passiert.“

Haben Sie einen Favoriten?

Dr. Reinhard Ernst: „Uns ist wichtig, dass das 50-Meter-Becken bleibt und die Nutzungsgebühren nicht steigen. Sonst hätten wir ein großes Problem.“

Keiner unterschreibt, dass man ein 50-Meter-Becken nur der Länge nach durchschwimmen kann. Man könnte hier auch andere Dinge aufbauen.

Dr. Reinhard Ernst: „Die Verwaltung hat zugesagt, dass das ein Sportbecken bleibt. Daran wird sie sich halten.“

Ist das der einzige Wunsch beim Umbau?

Dr. Reinhard Ernst: „Nein. Für ein effizientes Training brauchen wir natürlich weiterhin den Kraft- und Fitnessraum, für die Geräte genügend Lagerplatz. Und es wäre wünschenswert, dass wir unsere EDV nicht immer mit Transportern aus dem Klostergartenbad hochkarren müssten.“

Dann könnte man auch einen Fußballer fragen, ob ein Bolzplatz reicht

Es gibt Menschen, die fragen sich, ob für den Schwimmsport auch eine 25-Meter-Bahn reichen würde.

Dr. Reinhard Ernst: „Dann könnte man auch einen Fußballer fragen, ob ein Bolzplatz reicht.“

Welche Bedeutung hat denn das Sportbecken für den VfL Sindelfingen?

Dr. Reinhard Ernst: „Das ist unsere Lebensader. Ohne es könnten wir uns nicht finanzieren. 85 Prozent unserer Kurse finden hier oben statt. Hier erzielen wir also 85 Prozent unserer Einnahmen.“

Könnte man nicht ins Klostergartenbad ausweichen?

Dr. Reinhard Ernst: „Die Vormittage sind hier von den Schulen belegt, und das ist auch gut so. Außerhalb dieser Zeiten sind wir jetzt schon der Hauptnutzer. Vielleicht könnte man da noch eine oder zwei Stunden rausquetschen, aber das hilft dann nicht wirklich weiter.“

Für die technische Sanierung 2018 wird das Badezentrum ein paar Monate lang geschlossen. Wie überbrücken Sie diese Zeit?

Dr. Reinhard Ernst: „Es ist entscheidend, dass es nicht zu lange dauert. Ein Trimester stemmen wir durch unsere Rücklagen. Danach wird es brenzlig. Ich hoffe außerdem schwer auf Unterstützung von den Vereinen, deren Schwimmer heute schon bei uns gern gesehene Trainingsgäste sind.“

Muss das sein, wenn man das Badezentrum sowieso komplett neu ausrichten möchte?

Dr. Reinhard Ernst: „Ja, da gibt es keinen Spielraum mehr. Ich habe lieber einen geplanten Ausfall als einen ungeplanten. Diese hat es schon genügend gegeben.“

Unterm Strich heißt das: Der VfL hätte jetzt gerne, dass die Sanierung schnell angepackt und durchgezogen wird, und dass der große Umbau erst einmal nicht passiert.

Dr. Reinhard Ernst: „Ganz genau.“

Info

Dr. Reinhard Ernst ist 45 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Der promovierte Kernphysiker ist in Leverkusen geboren, aus beruflichen Gründen verschlug es ihn im Jahr 2000 nach Sindelfingen. Hier arbeitet er in der IT-Branche. Der Rheinländer war über die 200-Meter-Rücken-Strecke deutscher Jahrgangsmeister. Die Abteilung des VfL Sindelfingen leitet er seit etwa einem Jahr kommissarisch. Am 25. April wurde er offiziell gewählt. Sein Vorgänger Mark Mohr, Hans Harz (Schriftführer), Sylvia Meinl (Kassiererin), Christoph Schönleber und Reiner Schneider (beide Leistungssportreferenten) stellten sich nicht mehr zur Wahl. Der Vorstand besteht jetzt neben Dr. Reinhard Ernst, Bernhard Kömpf und Roman Huber aus Margot Pildner-Speck (Schriftführer), Peter Waldenmaier (Leistungssportreferent & Marketing). Seit Kurzem wurde Daniel Speck ein Nachfolger für das Amt des Kassiers gefunden.

Jürgen Wegner ist gebürtiger Sindelfinger und spielte für die VfL-Fußballer. Er ist im Sport zu Hause und kennt seine Heimatstadt aus dem Effeff.

Am Rand der süddeutschen Meisterschaften im Mai diskutierte Dr. Reinhard Ernst mit dem Fachwart Schwimmen des Süddeutschen Schwimm-Verbandes, Jakob Rukatukl (links) und Sindelfingens Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer über die Bedeutung des Badezentrums für die Stadt und den Schwimmsport. Bild: z

Dr. Reinhard Ernst unter dem beeindruckenden Dach des Sindelfinger Badezentrums. Bild: Wegner, Quelle: SZ/BZ-Online