18 Jahre bei ein und demselben Verein: Am vergangenen Wochenende hat der dienstälteste Trainer im Kreis Böblingen seinen Hut genommen. Nach fast zwei Jahrzehnten als Coach des VfL Sindelfingen II hat Kurt Müller – nicht ganz freiwillig – einen Schlussstrich gezogen unter seine Trainerkarriere.
Anfang April wurde Kurt Müller mitgeteilt, dass der VfL Sindelfingen bei der zweiten Mannschaft nach 18 Jahren etwas anderes ausprobieren möchte. Musste der 53-Jährige damals ob der Entscheidung der Vereinsverantwortlichen noch schlucken, hat er sich mittlerweile mit seinem Abschied arrangiert. „Ich konnte mich ja seit vielen Wochen darauf vorbereiten“, sagte Kurt Müller nach seinem letzten Spiel als Trainer der VfL-Reserve gegen den SV Nufringen ohne Groll. „In ein Loch werde ich definitiv nicht fallen.“
„Schöne Jahre“ habe er beim VfL verbracht, die ihm auch „viel Spaß bereitet“ haben. Gerne hätte er die zwei Jahrzehnte noch vollgemacht, die Abteilungsleitung hatte jedoch andere Pläne. Mit Ibrahim Karayel und Jörg „Done“ Körber treten zwei ehemalige Sindelfinger Jugendtrainer das nicht allzu leichte Erbe an. Denn Kurt Müller hat seit 1999 tiefe Fußstapfen hinterlassen. Seinen beiden Nachfolgern wünscht er „viel Glück und viel Spaß bei der interessanten Aufgabe“. Froh ist der ehemalige Drittligaspieler in Rumänien, dass er eine intakte Mannschaft hinterlässt, die im Saisonendspurt der Kreisliga A, Staffel II, den anvisierten Klassenerhalt klar gemacht hat. „Das war das Ziel, das ich noch mit meinem Team hatte.“
Insgesamt drei Mal feierte Kurt Müller während seiner Zeit beim VfL Sindelfingen II den Aufstieg. Zwei Mal ging es dabei über die Relegation in die Bezirksliga hoch. Ein Mal gab es für die Meisterschaft in der Kreisliga B auch einen Wimpel. Aber auch drei Mal verabschiedete sich seine Mannschaft nach unten. Ganz bitter waren die Jahre 2004 bis 2006, als der VfL II aus der Bezirksliga in die Kreisliga B durchgereicht wurde. „Diesen Unfall konnten wir aber im Jahr darauf zumindest mit der sofortigen Rückkehr in die Kreisliga A wieder gutmachen.“
In all den Jahren pflegte Kurt Müller, der einst mit dem TV Darmsheim in der Landesliga spielte, ein immer freundschaftliches Verhältnis zu seinen Spielern. „Ich habe den Jungs nicht nur Anleitung auf dem Fußballplatz gegeben“, ist Kurt Müller stolz, auch über den Tellerrand geblickt zu haben. „Auch außerhalb des Sports, beispielsweise bezüglich der Schule oder der Ausbildung, habe ich meinen Spielern die Hand gereicht.“ Zufrieden ist er, da viele seiner ehemaligen Spieler beim Wiedersehen Fehler ihrerseits eingestanden hätten. „Diese Selbsterkenntnis bei den Jungs freut mich im Nachhinein am meisten.“
Mit ein Grund, wieso ihn Thomas Dietsche als „einen Pfeiler in der Geschichte des VfL-Fußballs“ bezeichnet. „Man kann es gar nicht hoch genug bewerten, wie Kurt hier über so eine lange Zeit die Geschicke bei der Zweiten geleitet hat“, ist der ehemalige Trainer der ersten Mannschaft und aktuelle Sportliche Leiter voll des Lobes über seinen langjährigen VfL-Weggefährten.
„Als Trainer der Zweiten saß er ja immer zwischen den Stühlen. Zum einen musste er Spieler nach oben abstellen, zum anderen aber auch schauen, dass er Spieler von oben in ein homogenes Team einbaut.“ Umso bemerkenswerter seien, so Dietsche, deshalb die Aufstiege in die Bezirksliga gewesen.
Am beeindruckendsten findet der Sportliche Leiter des VfL im Nachhinein, „dass Kurt 2006 nach dem Fall in die Kreisliga B praktisch im Alleingang eine komplett neue Mannschaft organisiert hat. Kurzzeitig stand damals sogar ein Rückzug der Zweiten im Raum“. Dass es nicht dazu kam, sei einzig und allein sein Verdienst gewesen. „Das und vieles andere mehr hat mir gezeigt, wie sehr Kurt am VfL hing und immer noch hängt“, so Thomas Dietsche.
Angebote, höher zu trainieren, hatte Kurt Müller in den 18 Jahren einige. An einen Wechsel hat er aber nie einen Gedanken verschwendet: „Wieso hätte ich sollen? Wegen ein paar Kröten mehr? Dafür hätte ich aber beispielsweise auch mehr Fahrtstrecke in Kauf nehmen müssen, und das war es nicht wert.“
In der Entwicklungslogistik beim Daimler tätig, hat er stets die kurzen Wege bevorzugt: „Vom Geschäft direkt ins Training – hier beim VfL hatte ich allerbeste Voraussetzungen. Vor allem ab dem Zeitpunkt, als der Kunstrasenplatz dazukam.“
Um den Ausgleich zu den kurzen Wegen zu finden, suchte der 53-Jährige abseits des Fußballtrainings stets die lange Strecke, um sich fit zu halten. „So oft es geht 25 Runden am Stück im Floschenstadion“, erklärt Kurt Müller. Die zehn Kilometer spulte er aber nie zur Vorbereitung auf einen Lauf ab, sondern schlicht, um sich fit zu halten. „Das war für mich dann im Training der beste Maßstab. Konnte ein Spieler mit mir mithalten, war er fit“, muss er schmunzeln. Für Thomas Dietsche ist Kurt Müller auch deswegen ein absolutes Vorbild: „Von seiner Fitness können sich die Jüngeren eine dicke Scheibe abschneiden.“
Um einen neuen Trainerposten hat er sich nicht bemüht. „Jetzt freue ich mich auf die freien Wochenenden“, sagt Kurt Müller, der aber weiterhin die Spiele der Sindelfinger Mannschaften besuchen wird. „Bislang waren die Sonntage immer verplant. Jetzt werde ich mehr Zeit für meine Frau Susanne haben. Ich hoffe, dass sie sich auch darüber freut.“
Edip Zvizdiç berichtet für die SZ/BZ seit Langem von der Fußball-Kreisliga A, Staffel II. Er ist damit auch ein langjähriger Wegbegleiter von Kurt Müller.
Quelle: SZ/BZ-Online