Der VfL Sindelfingen und die Ladies: Die Trennung wird zum Rosenkrieg. Fahrtkostenforderungen von 16 890 Euro haben die Fußballfrauen an ihren ehemaligen Hauptverein weitergeleitet, weitere 2260 Euro sollen folgen. Der Vorstand bezieht klar Stellung: „Wir zahlen nicht.“ Dabei wird sogar noch um deutlich mehr Geld gestritten.
Es ist so viel Dampf im Kessel, dass der VfL am späten Mittwochabend den Hauptausschuss geladen hat. Alle Abteilungen sollten erfahren, was hinter den Kulissen läuft und wie die Positionen sind. Vor allem, da es einen Termin gibt, an dem die Suppe überkocht: Um 22.58 Uhr verschickten die Fußballfrauen eine Rundmail, die noch einmal auf die Hauptversammlung am nächsten Mittwoch hinweist. Der Wortlaut: „Da es leider noch einige Ungereimtheiten bezüglich offener Zahlung an Spielerinnen und Trainer gibt, könnte es durchaus eine interessante Veranstaltung werden.“
Vorher wollte der Hauptverein Zahlen auf den Tisch legen. Gefolgt sind der Einladung zum Infoabend in die Sportwelt Leiter der Abteilungen Judo und Leichtathletik, Gewichtheben und Kegeln, Behinderten- und Rehasport sowie von den Radsportlern. Von diesen Sparten gab es einhellig Rückendeckung für die Position des VfL Sindelfingen.
Rückendeckung aus den Sparten
Stevan Fuks von den Keglern sagt stellvertretend auf Nachfrage der SZ/BZ: „Wir gehen da mit. Es darf keine weiteren Zugeständnisse an die Fußballfrauen geben.“ Seine vergleichsweise kleine Kegelabteilung kämpfe um jeden Euro, „auch wir müssen sehen, wo wir unser Geld herbekommen“.
Doch worum geht es eigentlich? Im Prinzip hatte sich bereits Mitte März angedeutet, dass die Frauen eine Bugwelle vor sich herschieben, dessen Höhe kaum zu bemessen ist. „Im Grunde wurde es von Tag zu Tag schlimmer“, wird der neue Vorsitzende Josef Klaffschenkel damals in der SZ/BZ zitiert, weil immer neue Nachforderungen auftauchten. Zu jener Zeit steckten die Ladies im Wettlauf mit der Zeit, um beim DFB die Bundesliga-Lizenzen zu bekommen. Sogar die erste Liga schien aus rein sportlicher Sicht fast schon zum Greifen nah.
Der Hauptverein hatte dem Lizenzantrag zugestimmt. Unter anderem auch, weil mit der Schwabensport Management GmbH eine Marketingagentur im Boot war, die bei den Bundesliga-Volleyballerinnen MTV Allianz Stuttgart überzeugende Arbeit ablieferte. Die Finanzplanung schien plausibel, und weil bei den Ausgliederungsgesprächen von einer Ergebnislücke in Höhe von 10 000 Euro die Rede war, stellte der Hauptverein dieses Geld zur Verfügung.
Geschäftsführer Roland Medinger: „Vorstandsmitglieder der alten Abteilung und der Ladies haben persönlich gebürgt. Das wirkte seriös und ernsthaft.“ Unter dem Bericht im Hauptausschuss stand im Mai: Sache erledigt. Die Lage sollte sich bald anders darstellen, die Löcher wurden immer größer. Um diese zu stopfen, gingen die Frauen Klinken putzen, richteten ein Spendenkonto ein, sprachen im Rathaus vor, beantragten beim DFB längere Fristen.
Konkrete Zahlen
Jetzt hat der Hauptverein seinen Abteilungen konkrete Zahlen an die Wand geworfen. Ein Knackpunkt sind dabei die Fahrtkostenforderungen für Trainer und Spieler. 19 150 Euro sind das genau, 16 890 Euro sind aufgelistet, 2260 Euro sollen noch nicht eingefordert sein.
Die entscheidenden Sätze stehen aus Sicht des VfL in der Satzung: „Verträge, die ein Dauerschuldverhältnis begründen oder die Abteilung zu laufenden Leistungen verpflichten, insbesondere Vereinbarungen mit Sportlern, Trainern und Übungsleitern […] können rechtsverbindlich nur vom Vorstand abgeschlossen werden.“ Und weiter: „So weit Abteilungen oder deren Organe gegen eine der vorstehenden Regelungen verstoßen und der Verein deshalb Aufwendungen hat, sind diese verpflichtet, dem Verein diese Aufwendungen zu erstatten.“
Die Positionen
Der VfL Sindelfingen wehrt sich gegen Vereinbarungen, die mit etwa 15 Spielerinnen, Eltern oder Funktionären am Hauptverein vorbei geschlossen worden seien. Zum Teil sei das nur mündlich geschehen. In anderen Fällen seien Verträge ergänzt worden, „die eigentlich völlig korrekt abgewickelt und von uns abgesegnet waren“, sagt Roland Medinger. Der VfL hat hier eine klare Position. Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt Dr. Oliver Wengert bemüht gar die Begriffe „Untreue“ und „kriminell“, wenn der Hauptverein an der Satzung vorbei handeln würde. Also: „Wir zahlen nicht.“
Josef Klaffschenkel sieht das anders. „Es ist ganz einfach: Alle Akten vor unserer Zeit gehören auch in die Vorzeit. Ganz plakativ: Laut Überlassungsvereinbarung fangen wir bei null an.“ Deshalb habe der Kassier Sascha Bührer die formulierten Forderungen an den VfL weitergeleitet. Josef Klaffschenkel: „Ich lehne mich da ganz entspannt zurück und warte darauf, was kommt. Aber natürlich wollen wir weiterhin partnerschaftlich miteinander arbeiten.“
Die Steuern
Doch auch in diesem Punkt macht er ein Fass auf. Denn noch größer als die Fahrtkosten ist der Punkt „Umsatzsteuern“. Mittlerweile sind 17 242 Euro in den Bilanzen aufgetaucht, die aus den Jahren 2015 und 2016 angefallen und nicht beim VfL gelandet sind. Dieser hat die Summen aber schon an das Finanzamt überwiesen. Für das Jahr 2017 sollen geschätzte 10 000 Euro oben drauf kommen. Der VfL geht davon aus, dass die Ladies diese Auslagen mittelfristig zurückzahlen, möglicherweise in jährlichen Raten von 5000 Euro. Aber auch hier sagt Josef Klaffschenkel, dass „wir erst einmal bei null anfangen. Sollten sich die Dinge finanziell gut entwickeln, könnten wir vielleicht einen Weg finden.“
Hinzu kommen weitere Posten wie Körperschaftssteuer für die Jahre 2015/16, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag, die gegebenenfalls nicht kassenwirksam werden. Summe: 9065 Euro.
Die kommende Spielzeit
Für die neue Saison wollen die Ladies jedenfalls keine Fahrtkosten bezahlen. Ausnahme ist Torhüterin Vanessa Fischer, mit der es einen Vertrag gibt, der noch ein Jahr lang läuft. „Alle anderen Spielerinnen bekommen nichts, so ist das vereinbart“, sagt Josef Klaffschenkel. Hier gelte aber ebenfalls: „Falls sich die finanzielle Situation deutlich verbessert und wir Sponsoren finden, können wir das zu einem Teil an die Spielerinnen weitergeben.“
Aus diesem Grund haben Leistungsträgerinnen und Nationalspielerinnen wie Athanasia Moraitou, Charoula Dimitriou (beide BV Cloppenburg), Kristin Kögel (Bayern München), Matea Bosnjak (Ziel unbekannt) und Anja Selensky (1. FC Saarbrücken) den Verein verlassen. Die Zweitligasaison beginnt für die VfL Sindelfingen Ladies am 3. September auswärts beim 1. FFC Frankfurt II. In der ersten DFB-Pokal-Runde geht es am 26. oder 27. August zum TSV Neckarau.
Info
Die Jahreshauptversammlung der VfL Sindelfingen Ladies beginnt am kommenden Mittwoch, 26. Juli, um 20.30 Uhr in der ehemaligen Stadiongaststätte am Floschenstadion.
Als Jürgen Wegner zum ersten Mal für die VfL-Fußballer spielte, konnte er noch nicht selbst die Kickstiefel binden. Seitdem verfolgt er die Geschicke des Vereins und seiner Abteilungen.
Quelle: SZ-BZ Online