Hauptverein: Der Kampf mit dem Verwaltungs-Wahn

Wahlen sind stets auch mit Hoffnungen und Erwartungen verbunden. Für Roland Medinger, Geschäftsführer des VfL Sindelfingen, sind dies beispielsweise Überregulierungen und Nachweispflichten im Vereinsalltag. Auch die Förderung für Spitzensportler könnte besser sein.
Das Interview mit Roland Medinger steht auch als Videomitschnitt auf der Homepage der SZ/BZ zu Verfügung.
Wie beurteilen Sie als Geschäftsführer des VfL Sindelfingen die aktuelle Situation?
Roland Medinger: „Also, wir sind ganz zufrieden. Wir sind mittlerweile der größte klassische Sportverein im Landessportbund Württemberg mit knapp 10 000 Mitgliedern, wenn man mal vom VfB Stuttgart absieht. Der hat aber mit seiner Männer-Bundesligamannschaft sicherlich eine ganz besondere Struktur. Ich denke, wir haben ein sehr breites Angebotsspektrum und haben auch die Begrifflichkeit ‚Sport für alle‘ im Verein immer sehr ernst und wörtlich genommen, sodass wir wirklich Sport für alle anbieten.
Nico Kappels Goldmedaille hat uns sehr gefreut
Das gelingt uns auch ganz gut im Breitensport, im Wettkampfsport und im Spitzensport. Wir hatten ja bei der Olympiade und den Paralympics in Rio sechs Athleten. Einer davon bei den Paralympics, Nico Kappel, hat ja auch die Goldmedaille geholt im Kugelstoßen. Das hat uns sehr gefreut und zeigt auch, dass wir in diesem Bereich noch ganz gut mitmachen können.
Und als Drittes würde ich sagen, haben wir ein sehr gut entwickeltes Dienstleistungsangebot, für Leute, die nicht mehr im Abteilungssport sein wollen, wo wir neben den 27 klassischen Wettkampfsportabteilungen auch ein Fitnessstudio haben mit 2200 Nutzern, wir haben 50 bis 60 Kurse im ganzen Stadtgebiet dezentral verteilt, wir haben eine Kindersportschule und vieles mehr.“
Was erwarten Sie als Geschäftsführer des VfL Sindelfingen von der Politik und was muss sich ändern?
Roland Medinger: „Also auf der kommunalen Ebene haben wir eine sehr ordentliche Sportförderung, wir fühlen uns gut unterstützt und wir arbeiten auch schon sehr gut zusammen mit den Gemeinderäten, mit der Stadtverwaltung und dem Sportamt, was uns natürlich in vielen Bereichen hilft, Sport für alle in Sindelfingen anzubieten und das auch zu sehr vernünftigen Tarifen.
Überregulierung ist eine große Herausforderung
An die Bundespolitik und auch die Landespolitik hätte ich schon den Wunsch, dass wir in Deutschland wieder bisschen wegkommen von der Überregulierung. Insbesondere für Vereine mit hauptamtlichem Personal und eigenen Sportstätten ist das eine große Herausforderung. Beispielsweise haben wir eine wöchentliche Nachweispflicht für Leute, die mit Mindestlohn im Minijob bei uns arbeiten. Wir müssen Datenschutzbeauftragte ausbilden, Sicherheitsbeauftragte ausbilden und bezahlen.
Das muss über den Bund geregelt werden
Wir haben das Bundeskinderschutzgesetz, wo wir Führungszeugnisse für alle Leute, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, herstellen müssen. Wir haben die Prüfungen bei der Scheinselbstständigkeit, wenn wir Leute, die für uns etwas tun, darauf überprüfen lassen müssen, ob sie scheinselbstständig sind oder nicht. Wir müssen, wenn wir Wasserleitungen und Duschen öffentlich vorhalten, die Legionellen-Prüfungen machen, wir müssen die Künstlersozialversicherung bedienen und vieles mehr. Das ist für Leute, die vielleicht nicht hauptamtlich sind und eigentlich mal angetreten sind, um Sport zu organisieren und anzubieten, mittlerweile eine große Hürde. Da müsste man sehen, dass man wieder ein bisschen zurückkommt auf den Kern dessen, was ein Sportverein ausmacht, und sich nicht in Verwaltungstätigkeiten verliert. Und dann wäre es gut, wenn man es schaffen würde – und das ist auch eine Sache, die im Grunde genommen über den Bund geregelt werden muss – dass man bei Spitzensportlern die Vereinbarkeit von Sport und Berufskarriere vielleicht doch etwas besser als bisher herstellen kann.“
Der VfL Sindelfingen ist mit rund 9300 Mitgliedern in 28 Abteilungen nach dem VfB Stuttgart und dem SC Freiburg der drittgrößte Sportverein in Baden-Württemberg. Weil VfB und SCF vor allem von den Fußballfans der Bundesligaklubs profitieren, gilt der VfL als größter klassischer Sportverein. Der Sport- und Trainingsbetrieb wird von 280 lizenzierten Trainern und Übungsleitern betreut.
Quelle: SZ/BZ-Online