Basketball: Seit die ehemaligen Spieler Claudio Moreno und Frank Mössinger wieder am Ball sind, treibt die Jugendarbeit beim VfL Sindelfingen neue Blüten
„Frank, kannst Du mir bitte die Hose zuschnüren? Die rutscht sonst runter.“ Es ist schon ziemlich goldig, wie der Knirps mit seiner riesigen Shorts kämpft. Die Szene spricht Bände. Einerseits ist es ein Jammer, dass die Kleinen in viel zu großen Klamotten versinken. Andererseits zeichnet das auch das neue Bild, das der Nachwuchs des VfL Sindelfingen abgibt. Es gibt wieder Jungs. Es gibt wieder Spiele. Und es gibt wieder Trainer.
Beim Training am Dienstag und am Freitag ist wieder ordentlich etwas los im Sindelfinger Eichholz. Da passt kaum noch ein Spieler auf die beiden Hallendrittel, wo 30 kleine Händepaare mit 30 Basketbällen dribbeln und Korbleger machen. Dann räumen die Spieler das Feld, und die Größeren sind wieder dran. Basketball ist wieder angesagt in Sindelfingen. Es fühlt sich ein kleines bisschen so wie früher an.
Damals in den 80ern und 90ern, da boomte die Sparte. Beim Heimspieltag in der Eschenriedhalle war mächtig was los, wenn erst die Frauen loslegten und dann die Männer um Regionalliga-Punkte spielten. Stefan Marschner oder Andi Olenji waren die lokalen Helden, der Nachwuchs wollte sein wie sie. Und als die NBA nach Europa schwappt und Michael Jordan oder Magic Johnson die Jungs von MTV auf DSF umschalten ließen, trug die Szene Sneakers und Shirts der großen Stars von Übersee.
Frank Mössinger nicht, er spielte im schwäbischen Schlabberlook, das aber mit Hingabe. Die Leidenschaft hatte sein Lehrer Hartmut Frommer in der fünften Klasse in der Basketball-AG entfacht. Das Pfarrwiesen war unter den Sindelfinger Gymnasien die Nummer eins der Korbjäger und im ganzen Land eine große Nummer. „Außerdem war ich vorbelastet über meinen großen Bruder Matze, der beim VfL spielte“, erinnert sich der 47-Jährige gerne zurück.
Sein zwei Jahre älterer Kumpel Claudio Moreno war ebenfalls am Ball fürs Pfarrwiesen. Bei „Jugend trainiert für Olympia“ ging es verlässlich ins Oberschulamtsfinale und auch mal in den Landesentscheid. Der Weg führte zum VfL, dort bis in die Aktivenmannschaften und „so mit 15, 16 Jahren haben wir den Trainerschein gemacht“, schätzt Frank Mössinger. Er übernahm die D-Jugend, Claudio Moreno die C-Jugend. Dann zog es Claudio zum Studium nach Halle, Frank nach Kaiserslautern. Die alte Liebe legte sich schlafen, und auch beim VfL ging immer mehr die Luft raus.
Es läuft nicht mehr rund
Aus Kindern werden Männer und aus Männern werden Väter, der Kreis schließt sich, aber es läuft nicht mehr rund. Als Claudio Moreno seinen Rocco in die Halle bringt, sieht das gar nicht mehr nach Vereinssport aus. In der Halle steht wie vor 15 Jahren immer noch Sindelfingens großer Basketball-Mann Peter Weller, das aber aus Trainersicht ziemlich einsam auf weiter Flur. Für einen alleine ist es nicht einfach, den engagierten, aber auch ziemlich wilden Haufen von Kindern zu ordnen. Jungs und Mädels gemischt, von 10 bis 15 Jahren ist alles dabei.
Das Experiment ist bald beendet – aber deshalb noch nicht abgehakt. Erst zeigt Claudio Morenos Mittlerer Interesse, und nach Oscar will dann auch der Jüngste zum Korb ziehen. Hugo heißt er und ist so alt wie Frank Mössingers Béla. Spätestens jetzt geraten die beiden Väter gehörig unter Zugzwang – und setzen sich 2016 auf eine Kaltschale in die Obere Vorstadt ins „Barwue“. In der Kneipe betrachten sie die Nummer ganz nüchtern und fassen den Entschluss: Wir schaffen das. „Wir können unsere Jungs doch nicht nach Böblingen bringen“, nennt Frank Mössinger das.
Die Ein-Mann-Show
Bei Peter Weller, der den Laden in der Ein-Mann-Show über Jahre am Laufen hielt, rennen die beiden offene Türen ein. Auch der Abteilungsleiter Georgios Ntoussis ist froh, dass sich da neue Perspektiven auftun. Kurzzeitig spielen Frank Mössinger und Claudio Moreno auch Trainingstaxi für neugierige Kinder aus Flüchtlingsunterkünften, aber dieser Ballon platzt bald.
Und die Kinder? 8 sind es beim ersten Training, sie erzählen daheim vom neuen Schwung. Dann bringen sie Kumpels mit, die Kumpels mitbringen, die ihren Eltern vorschwärmen und die auf einmal mit im Boot sind. Miguel Tirado ist der erste Quereinsteiger. Einer der Väter hatte den Ex-Basketballer aus Venezuela an Land gezogen, Alexander Graf ist der nächste Erwachsene, der zum Team stößt, dann folgen Olivier Salekwonang und Anton Gerbenar, der aus privaten Gründen aber nur ein kurzes Intermezzo gab.
Das Trainerteam wächst, so wie die Abteilung auch. Peter Weller kramt die alten Trikots raus, beim VfL Sindelfingen geht es bald wieder um Punkte. Sechs Jugendteams sind quer durch die Jahrgänge für den Spielbetrieb gemeldet. Und es gibt tatsächlich auch erste Erfolge auf dem Platz. Bei den Jungs hat die U16 sechs von acht Spielen in der Bezirksliga gewonnen, die U12 zog in acht Spielen sogar nur einmal den Kürzeren, wurde Zweiter und kämpft jetzt um den Einzug ins Final-Four-Turnier und schlug dabei sowohl Böblingen als auch Schramberg. Bei der Weihnachtsfeier lassen über 70 Kinder ein besonderes Jahr Revue passieren – passend dazu waren ja auch die Frauen in die Landesliga aufgestiegen.
Alles spitze also? Nicht ganz. So langsam geht der Sparte der Platz aus. Vor allem für die Älteren reicht ein Hallendrittel nicht, immerhin gibt es derzeit für eine Mannschaft im Pfarrwiesen eine Ausweichmöglichkeit. Auch bei den Klamotten darf sich gerne etwas tun. Zwar haben die „Mosquitos“, wie sich der VfL-Nachwuchs nennt, mittlerweile coole Hoodies. Aber weil die Kassenlage nicht gerade rosig ist, trägt bei den Trikots vom Pimpf bis zum Lulatsch jeder die Einheitsgröße.
Info
Derzeit basteln die Sindelfinger Basketballer an einem neuen Internetauftritt. Bis dahin gibt es unter vfl-sindelfingen.com/abteilungen/basketball/ Infos zu Trainingszeiten und mehr im Netz. Bei Fragen darf man sich per Mail an frank.moessinger@ gmail.com wenden
Einmal stopfen wie die Großen: Der Traum vom Dunking erfüllte sich bei Jürgen Wegner leider nie.
Bild: Frank Mössinger
Quelle: SZBZ Online