Boxen: Cansu Cak steigt für den VfL Sindelfingen in den Ring und träumt von einem Start bei Olympia 2024 in Paris / Welche Werte der Sport vermittelt – Folge 1: Mut
Gefühlt sehnt sich derzeit sogar die Couchkartoffel nach der Trainingseinheit. Die Gründe sind verschieden, Sport hat mehr zu bieten als Schweiß und Muskelkater. Bei der Frage, was einer Gesellschaft und einer Stadt der Sport wert ist, geht es auch um Werte. Und bei den anstehenden Haushaltsberatungen in Sindelfingen, die derzeit fast in Vergessenheit geraten, spielt auch das eine Rolle. Folge eins dieser Artikelreihe dreht sich um das Thema Mut. Cansu Cak, Boxerin des VfL Sindelfingen, hat die Hauptrolle.
„ich war die unsportliche Tochter meiner Mutter“, sagt Cansu Cak. Also meldete sich die damals 16-Jährige zum Fitnesstraining im Boxcenter des VfL Sindelfingen an. „Ich wollte einfach nur fit werden“ sagt die gebürtige Balingerin, die in Sindelfingen aufwuchs. Das Sparring weckt bei Cansu Cak schnell die Faszination für Boxen. Dabei sind die Bedingungen im Sindelfinger Boxcenter nur für Männer ausgelegt. Es gibt nur eine Umkleidekabine und eine Dusche. „Wir haben bei der Stadt schon den Antrag gestellt, dass wir auch für Frauen eine Dusche und eine Umkleide bekommen, doch das wurde in Zeiten leerer Kasse abgelehnt“, sagt Thomas Kugler, stellvertretender Abteilungsleiter der Sindelfinger Faustkämpfer.
Cansu Cak hat damit keine Probleme. „Ich ziehe mich im Kraftraum um und wenn ich nach dem Training duschen, nehmen die anderen auf mich Rücksicht“, sagt die heute 26-Jährige. In den Sommermonaten können die Sindelfinger Boxerinnen auch im Freibad duschen: „Das mache sich dann auch hin und wieder.“
An ihren ersten Kampf hat die Maschinenbau-Studentin noch gute Erinnerungen. „Da sollte ein kleiner Wettkampf sein. Als die Trainer Uwe Sponholz, Fatima Mutlu und ich dann in Lahr ankamen, waren 1200 Fans in der Halle.“ Für Cansu Cak eine ganz neue Erfahrung: „Wenn ich einen Treffer gesetzt habe, war es ganz still, wenn ich aber einen Treffer kassierte, haben die Fans gejubelt. Das war schon ein wenig befremdlich“, sagt die Sindelfingerin. Sie kassierte in Lahr einige Treffer und verlor.
Bei den deutschen Hochschulmeisterschaften 2017 war Cansu Cak mutig und eine Klesse für sich. Sie startete im Leichtgewicht und konnte bereits in der Vorrunde gegen Wiebke Braatz ihr Können zeigen. Nachdem Braatz schon in der ersten Runde vom Ringrichter angezählt wurde und die Sindelfingerin auch die zweite Runde dominierte, entschied sich das Trainerteam von Braatz, das Handtuch zu werfen. Damit stand Cak als Siegerin fest und durfte gegen Steffi Lange im Finale um den Titel kämpfen. Dort war der Athletin aus Sindelfingen keine Spur von Aufregung anzusehen. Sie wollte unbedingt den Titel und stellte sich gleich zu Beginn auf ihre Kontrahentin ein. Immer wieder gelang es Cak, mit ihrer Führhand die Aktionen von Lange zu kontern und selber Treffer zu landen. Mit zunehmendem Kampfverlauf nutzte Cak die Schwächen der Gegnerin aus und punktete durch Körper-Kopf-Kombinationen. Nachdem sie in der letzten Runde das Tempo noch mal aufdrehte, stand das Urteil fest.
Cansu Cak tritt aber nicht nur im Leichtgewicht bis 60 Kilogramm in den Ring. „Bei manchen Wettkämpfen sind nicht alle Gewichtsklassen besetzt und muss ich abkochen. Das heißt wenig essen, viel trinken und Seilspringen“, sagt die Sindelfingerin. Probleme damit hat sie aber nicht. „Ich habe schon in der Klasse bis 54 Kilogramm geboxt.“
Aktuell trainiert die Sindelfingerin am Olympia-Stützpunkt in Heidelberg. Dort hat sie mit David Graf einen alten Bekannten getroffen. „Ich bin sogar min seiner Trainingsgruppe. David ist mein Vorbild. Er war als Sindelfinger bei den Olympischen Spielen und das will ich 2024 in Paris auch schaffen. Ich träume von einer olympischen Medaille“, sagt Cansu Cak.
Der Weg dort hin, ist weit. „ich habe neben meinem Studium und dem Training einen Mini-Job. Zusammen mit meinen Ersparten kann ich mich nicht mehr lange über Wasser halten“, hofft die 26-Jährige auf Sponsoren. Unterstützt wird die 1,68 Meter große Boxerin vom VfL Sindelfingen. Ihrem Verein ist Cansu Cak dankbar: „Der VfL ist mein Zuhause. Viele Trainer haben sehr viel Zeit in meine Entwicklung gestreckt. Ich weiß, dass die Boxabteilung zu mir steht und mich auf meinen Weg unterstützt.“ Die 26-Jährige ist schon lange nicht mehr die unsportliche Tochter ihrer Mutter.
Quelle: SZ/BZ-Online