Aikido: Anders als bei den meisten Kampfsportarten wird der Gegenüber nicht als Gegner sondern als Partner gesehen / Welche Werte der Sport vermittelt – Folge 12: Harmonie
Meistens geht es im Kampf Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau darum, zu ermitteln, wer der oder die Stärkere ist. Bei der japanischen Kampfkunst Aikido ist das anders. Zum einen gibt es in diesem Sport nur Abwehr- und keine Angriffstechniken, zum anderen wird der Gegenüber als Partner gesehen. Im Idealfall soll auf der Matte Harmonie entstehen.
Wenn man seit 35 Jahren einen Sport betreibt, weiß man genau, was diese Sportart ausmacht. Das ist bei Andreas Bartel nicht anders. „Beim Aikido agiert man miteinander. Es soll eine harmonische Übung denn ein Wettkampf sein“, macht der Abteilungsleiter der Aikido-Abteilung des VfL Sindelfingen deutlich und ergänzt. „Es kommt nicht von ungefähr, dass das Ai im Wort Aikido Harmonie bedeutet.“
Ihre Trainingseinheiten absolvieren die derzeit gut 50 Abteilungsmitglieder in nicht Corona-Zeiten in der Sporthalle der Realschule am Klostergarten. „Unsere Tage sind Montag, Dienstag und Freitag. Die meisten unserer Mitglieder sind Kinder“, berichtet Andreas Bartel, der an den Trainingsabenden selbst oft als ausgebildeter Aikido-Trainer auf der Matte steht. Einfach ist es nicht, die Mitgliederzahl konstant zu halten, gibt der 56-Jährige zu.
Abwarten statt draufgehen
„Vor allem im Jugendbereich macht sich der teilweise Umstieg auf Ganztagsschulen bemerkbar. Viele Schüler haben Im Zuge dessen weniger Zeit, noch in einem Verein Sport zu treiben. Und um in die Schulen zu gehen und dort Werbung für unsere Aikido-Abteilung zu machen, fehlen uns leider die personellen Ressourcen“, sagt Bartel.
Und dennoch gibt es auch bei den VfL-Aikidokas immer wieder neue Gesichter, von denen viele jahrelang bleiben. Michael Stolz beispielsweise trat vor 21 Jahren als Kind der Abteilung bei, mittlerweile hat es der derzeitige Kassenwart bis zum Aikido-Meister geschafft. „Bei uns gibt es den Spruch ´Du findest nicht das Aikido, das Aikido findet dich´. Das hat mit der speziellen Art dieser Kampfkunst zu tun. Eben das man nicht gegeneinander kämpft, sondern vielmehr miteinander versucht, auf der Matte eine Harmonie herzustellen“, sagt der gebürtige Schleswig-Holsteiner Andreas Bartel, der seine Frau Christina, eine Sindelfingerin, einst auf einem Aikido-Lehrgang kennenlernte.
„Im Idealfall vermittelt Aikido, bei dem es keine offensiven Angriffstechniken sondern nur Abwehr- und Sicherheitstechniken gibt, eine defensive Haltung, die es auch im Lebensalltag einzunehmen gilt. Nachdem Motto, nicht gleich irgendwo draufzugehen, sondern erst einmal abzuwarten“, sagt Andreas Bartel. „Wem das letztlich zu wenig Action ist, der zieht irgendwann weiter. Das ist kein Problem. So hat es beispielsweise auch mein Sohn Benjamin gemacht, der mittlerweile beim Kickboxen ist.“
Apropos Familie: Die Bartels gehören bei den VfL-Aikidokas seit Jahren fest dazu. Neben Andreas Bartel, der seit 2010 die Geschicke der Abteilung leitet, zeichnet seine Frau Christina als Jugendleiterin verantwortlich. Auch die Töchter Tatjana und Natascha sind, wie Sohn Benjamin, beim Aikido aktiv. Am meisten Zeit auf der Matte verbringt aber wohl Vater Andreas. Denn neben seiner Tätigkeit als Trainer beim VfL trainiert er selbst noch in der Aikido-Abteilung der SV Böblingen. „Insgesamt stehe ich meistens an vier Abenden in der Woche auf der Matte, zweimal in Sindelfingen und zweimal in Böblingen“, verrät Andreas Bartels sein straffes Wochenprogramm.
Hoffen auf Neustart im Sommer
Derzeit sorgt das Coronavirus allerdings dafür, dass auch bei den VfL-Aikidokas seit Mitte März die Matten in den Garagen bleiben. „Das ist natürlich schade, vor allem auch für die vielen Kinder in unserer Abteilung“, sagt Bartel und zeigt sich, was die Rückkehr in den Sportalltag betrifft, verhalten optimistisch. „Da es bei uns bei den Übungen zu engerem Körperkontakt kommt, denke ich, dass wir noch einige Wochen pausieren müssen. Ich hoffe, dass im Laufe des Sommers dann auch wir irgendwann grünes Licht bekommen, wieder trainieren zu können“, so Andreas Bartel.
Bis dahin bleiben der VfL-Abteilungsleiter und die Abteilungsmitglieder über die sozialen Medien in Kontakt. „Da gibt es bei uns Erwachsenen mittlerweile verschiedene Gruppen, in denen man sich austauscht. Manche mal sogar über Videokonferenzen. Und für unsere Kinder und Jugendliche gehört diese Art der Kommunikation ja sowieso zum Alltag“, sagt er. Die Chance, dass es auch in den Aikido-Gruppen in den sozialen Medien harmonisch zugeht, dürfte ziemlich hoch sein.
Bild: Konzentriert bei der Übung mit dem Kurzstock: Der Abteilungsleiter der Sindelfinger Aikido-Abteilung Andreas Bartel.Bild: z
Quelle: SZ/BZ-Online