Leichtathletik: Jörg Vaihinger war gleich bei drei Olympischen Spielen dabei /SZ/BZ-Serie zur Geschichte der Sindelfinger Leichtathleten (Folge 10)
1920 – der Erste Weltkrieg ist vorbei – und auch der Sport erfährt einen Neuanfang. Einige beherzte junge Männer des „Turnvereins“ gründen in Sindelfingen eine Leichtathletik-Abteilung, aus der sich mit den Jahren eine Leichtathletikhochburg in Baden-Württemberg entwickelt. In der zehnten Folge geht es um die Olympiateilnehmer des VfL Sindelfingen.
Mit drei Olympiateilnahmen in Los Angeles, Seoul und Barcelona ragt Jörg Vaihinger aus dem Feld der Olympioniken des VfL Sindelfingen heraus, zumal er außerdem eine Medaille gewinnen konnte. Seine ersten Spiele erlebte der 4×400-Meter-Staffelexperte über die Stadionrunde 1984 in Los Angeles. Vier Jahre später dann bei den Olympischen Spielen in Seoul der Karrierehöhepunkt. Mit der 4×400-Meter-Staffel erfüllte sich der Sindelfinger den Traum aller Sportler: Edelmetall bei Olympia. In Südkorea hatte das Quartett niemand auf der Rechnung. Doch Norbert Dobeleit aus Wattenscheid, Edgar Itt aus Gelnhausen, Jörg Vaihinger und Schlussläufer Ralf Lübke aus Leverkusen überraschten. „Niemand hat damit gerechnet, es war sogar fraglich, ob wir ins Finale kommen“, sagte Jörg Vaihinger. Nach 3:00,56 Minuten im Endlauf von Seoul stand fest: Es ist die Bronzemedaille. Auch vier Jahre später, bei den ersten Spielen nach der Wiedervereinigung in Barcelona, war Vaihinger trotz der deutlich größeren nationalen Konkurrenz wieder im Olympiateam, kam aber nach einem fallengelassenen Stab nicht mehr zum Einsatz. In Erinnerung hat der Sindelfinger noch ein ganz anderes Erlebnis: „Alle Olympischen Spielen waren eine riesen Erfahrung. Für mich war das absolute Highlight in Barcelona das Basketballspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen das Dreamteam der USA zu verfolgen.“
Vaihingers erste Spiele in Los Angeles blieben gleichzeitig die einzigen von Martin Weppler. Gemeinsam traten die beiden mit der 4×400-Meter-Staffel an und schieden im Halbfinale aus. „Was für mich aber zählt sind sechzehn tolle Jahre Leistungssport und eine gigantische Lebensweise. Was wir erlebt haben, kann man sich nicht kaufen“, sagt Weppler. Gemeinsam mit anderen deutschen Weltklasse-Läufern seiner Zeit wie Harald Schmid vermarktete sich der 400-Meter-Läufer selbst. Und das mit großem Erfolg: „Wir haben unser Leben auf die Leichtathletik abgestimmt und sind viel gereist. Drei bis vier Monate pro Jahr waren wir unterwegs. Finanziert haben wir uns über Sponsoren und Wettkämpfe vor Ort“, erzählt Martin Weppler. Trainingslager in Gran Canaria, Kalifornien, Texas, Mexico oder Jamaika, alles Highlights seiner Sportlerkarriere , die eigentlich 1980 ihren Höhepunkt finden sollte. „Ich habe erst neulich mit Harald Schmid darüber gesprochen. Wir waren mit der 4×400-Meter-Staffel Favorit für die Olympischen Spiele in Moskau, wir wären Olympiasieger geworden. Der Boykott der BRD war mehr als ärgerlich.“
Zittern bis zum Schluss hieß es für Tobias Dahm vor seiner Olympia-Teilnahme 2016. Ob er Teil der Olympiamannschaft sein wird, war bis zum Tag der Nominierung fraglich. Der Leichtathlet hatte bis zuletzt um sein Olympiaticket gekämpft und war gleich mehrmals knapp an der nötigen Norm gescheitert. Doch aufgrund der starken und konstanten Saisonleistungen klappte es auch so mit der Nominierung. Doch mit seiner Leistung bei den Spielen ist Tobias Dahm auch vier Jahre später nicht zufrieden, schied er doch in der Qualifikation mit 19,62 Metern aus „Die Saison lief sehr gut, ich konnte erstmals die 20 Meter knacken. Aber mit den Olympischen Spiele habe ich noch eine Rechnung offen.“ Trotzdem erinnert er sich gerne zurück. „Die Spiele waren etwas ganz Besonderes, Krass waren die Mengen im Stadion als Usain Bolt gelaufen ist. Auch die Abschlussfeier war toll.“
An exakt gleicher Stelle lies Niko Kappel die Sindelfinger Anhänger drei Wochen später jubeln. Der kleinwüchsige Athlet der Blau-Weißen wurde zum Paralympics-Sieger im Kugelstoßen gekürt. In einem spannenden Wettkampf siegte der 21-Jährige mit dem hauchdünnen Vorsprung von einem Zentimeter vor dem polnischen Weltrekordler Bartosz Tyszkowski. Im fünften Durchgang pulverisierte er seine Bestleistung und steigerte sich auf 13,57 Meter. „Es war für mich das absolute Highlight meiner bisherigen Karriere. Es ist ein ganz besonderes Flair bei den Spielen dabei sein zu dürfen und ich habe es total genossen. Die absoluten Gänsehaut-Momente für mich waren zum einen als mir klar war, dass ich das Ding gewonnen habe und dann der Moment, als die Nationalhymne gespielt wurde“, sagt Kappel.
Jeden Freitag stellt die SZ/BZ die Geschichte der VfL-Leichtathleten nach. In Folge 11 geht es am 25. September um die Deutschen Meister der Blau-Weißen.
Bild: Jörg Vaihinger (VfL Sindelfingen)
Quelle: SZ/BZ-Online