Leichtathletik: Der große Triumph auf der Heimbahn

Leichtathletik: Karl-Werner Dönges gewann für den VfL gleich drei Meistertitel /SZ/BZ-Serie zur Geschichte der Sindelfinger Leichtathleten (Folge 11)

1920 – der Erste Weltkrieg ist vorbei – und auch der Sport erfährt einen Neuanfang. Einige beherzte junge Männer des „Turnvereins“ gründen in Sindelfingen eine Leichtathletik-Abteilung, aus der sich mit den Jahren eine Leichtathletikhochburg in Deutschland entwickelt. In der elften Folge geht es um die Deutschen Meister des VfL Sindelfingen.

Auf nationaler Ebene wird in Leichtathletikkreisen nichts mehr gefeiert, als ein Titel bei Deutschen Meisterschaften, rückblickend gab es deswegen für die Sindelfinger Leichtathletik vieler solcher Feierstunden. 111 an der Zahl. Insgesamt 56 Mal standen blau-weiße Sportler ganz oben auf dem Siegerpodest bei nationalen Meisterschaften der Aktiven. Auch der Nachwuchs räumte ab, 13 deutsche Juniorenmeister, 40 deutsche Jugendmeister und zwei deutsche Schülermeister hat der VfL Sindelfingen schon hervorgebracht. Der erste deutsche Meistertitel des Vereins bei den Aktiven im Jahr 1979 war der Startschuss einer Erfolgsserie. In Stuttgart durfte Karl-Werner Dönges ganz oben auf dem Podest stehen, nachdem er den Endlauf über die 110-Meter-Hürdenstrecke gewonnen hatte. „Die alte Kunststoffbahn im Neckarstadion war meine Heimbahn, deswegen war der Titelgewinn etwas ganz besonderes“, sagt Dönges heute. Er wechselte 1977 aus dem Saarland nach Sindelfingen und folgte damit dem Ruf des damaligen Bundestrainers Rudi Felger. Bei Herbert Bohr in der Watzmannstraße kam er unter und war beim „Bundeswehr Sportförderzug“ in Böblingen. Auf den ersten Titelgewinn unter freiem Himmel folgten 1981 und 1982 noch zwei weitere. Auch international konnte der Hürdensprinter bei den Hallen-Europameisterschaften in Mailand die Bronzemedaille gewinnen. Im selben Jahr gelang Dönges auch der Lauf zum deutschen Rekord von 13,54 Sekunden, den er im Rahmen des 8-Nationen-Cups in Tokio aufstellte. „Das war genau an meinem 24. Geburtstag und danach haben wir damals eine Wettkampfreise über Malaysia, Peru und Trinidad gemacht“, erzählt Karl-Werner Dönges. Das Karriereende folgte nach einem Kahnbein-Bruch im Fuß.

 

Eine starke Entwicklung im Sindelfinger Trikot zeigte Holger Vogelgsang, der in den neunziger Jahren zu den Blau-Weißen stieß und gleich auf Anhieb mit der 4×100-Meter-Staffel Deutscher Vizemeister wurde. „Unter Jogi Kerl ging es für mich von zwei Mal auf sieben Mal Training die Woche und dann durfte ich als 18-Jähriger Athlet gleich in der ersten Staffel vor vielen Zuschauern in Hannover laufen. Gemeinsam mit Michael Schwab, Marcus Skupin-Alfa und Joey Walz, war das ein tolles Erlebnis“, erinnert sich Vogelgsang. Seinen ersten Solo-Titel gewann der 200-Meter-Sprinter 1996. Den baden-württembergischen Hallenrekord knackte er dann mit 21,09 Sekunden zwei Jahre später. „1999 war der Höhepunkt meiner Karriere. Im Sindelfinger Glaspalast bin ich deutscher Doppelmeister über die 200 Meter und mit der Staffel geworden. Da war eine wahnsinnige Stimmung in der Halle.“

 

Auch für Stefan Holz war das Jahr 1999 ein besonders erfolgreiches. Bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt absolvierte der damals 20-Jährige ein wahres Mammutprogramm mit Starts über die 200- und die 400-Meter-Strecke, sowie einem Staffeleinsatz. Im 200-Meter-Finale duellierte sich der damals 20-Jährige mit dem 100-Meter-Sieger Holger Blume aus Wattenscheid, flog auf den letzten 30 Metern vorbei und siegte in 20,68 Sekunden. Auch über 400 Meter holte er mit Bestzeit von 45,19 Sekunden den Titel. Als Deutscher Doppel-Meister qualifizierte er sich quasi aus dem Nichts für die anstehenden Weltmeisterschaften in Sevilla. Großen Anteil an dieser Leistungsexplosion hatte sein Trainer Martin Seeger. Die WM-Teilnahme war ein tolles Erlebnis. Für mich als 20-Jähriger komplettes Neuland. Ich habe es sehr genossen neben Stars wie Maurice Greene zu starten“, erzählt Holz heute. Über die 200-Meter-Strecke lief er bis ins Halbfinale, zog sich dort aber einen Muskelfaserriss zu. Seinen 400 Meter-Vereinsrekord von 45,11 Sekunden erzielte er 1999 in Zürich.

 

Dreispringer Matthias Uhrig war jahrelang einer der besten seiner Disziplin. Der Sindelfinger konnte mehrere Medaillen bei deutschen Meisterschaften gewinnen. Am besten hat er den Vizemeistertitel im Jahr 2011 in Erinnerung. „In Kassel war das. Die Stimmung und der Spaßfaktor waren groß“, erinnert er sich. Silber gewann er mit Bestweite von 16,50 Metern. Darauf folgte auch die Teilnahme an der Universiade in Shenzhen, ein Highlight in Uhrigs Karriere „weil es neben dem Sport auch ganz viele andere kulturelle Eindrücke gab und man andere Sportarten erleben konnte“. 2013 konnte sich Uhrig in der Halle in Dortmund die nationale Krone aufsetzen, erinnert sich aber mit gemischten Gefühlen: „ Der Titel war natürlich toll aber auch bittersüß, weil ich gerne die Norm für die Hallen-Europameisterschaften gesprungen wäre“, sagt Uhrig, der inzwischen als Ingenieur bei Bosch arbeitet. Die letzten Höhepunkte bei nationalen Meisterschaften liegen indes nur wenige Wochen beziehungsweise ein Jahr zurück. In 2019 konnten zwei Sindelfinger, bejubelt von vielen Zuschauern ihren jeweils ersten deutschen Meistertitel gewinnen. Kugelstoßer Simon Bayer feierte seine Goldmedaille nach einem Stoß auf 20,26 Meter mit einem Rückwärtssalto, überraschend verwies er seinen Vereinskameraden Tobias Dahm und Dauermeister David Storl auf die Plätze zwei und drei. Auch Constantin Preis wuchs über die 400 Meter-Hürden über sich hinaus. Wenig später sicherte er sich die Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Doha bei seinem Sieg in in Zürich in Vereinsrekordzeit: 49,23 Sekunden. In einem leeren Braunschweiger Stadion wiederholte Constantin vor wenigen Wochen seinen DM-Triumph erneut.

Bild: Karl-Werner Dönges (VfL Sindelfingen)

Quelle: SZ/BZ-Online