Karate: Wenn die dicken Bretter brechen
Andy Fields hat spät mit seinem Sport angefangen, ist heute Abteilungsleiter des VfL Sindelfingen und Vizeweltmeister im Bruchtest
Wie sie splittern, die Bretter, bersten, wie aus ihnen Kleinholz wird. Wie leicht es aussieht, wenn in Spielfilmen die Hölzer zerlegt werden. Ob es daran liegt, dass sie vielleicht nur einige Millimeter dick sind? Jedenfalls werden sie kaum zweieinhalb Zentimeter stark sein. So dick sind die Bretter, die Andy Fields – nein, nicht bohren – die er brechen muss. Und nicht nur ein Brett, sondern mehrere. Der 40-Jährige ist Abteilungsleiter der Karate-Abteilung des VfL Sindelfingen, der Bruchtest ist eine Disziplin dieser Sportart. Und Andy Fields ist Vize-Weltmeister.
Mal eben aus Jux ein paar Bretter zerlegen, das passiert im Kino. Im wirklichen Leben klappt das nicht. Ehe sich ein Karateka an einen Bruchtest wagt, vergehen sehr viele Stunden Training. Und aus Jux zertrümmert ein Karatekämpfer keine Bretter. Dahinter steckt sehr viel mehr. So dient ein Bruchtest auch zur Überprüfung der erlernten Technik, denn eines ist gewiss: Ist diese nicht sauber, wird es schmerzhaft. Oder wie es Andy Fields formuliert: „Es tut höllisch weh.“ Kein Wunder, haben die verwendeten Bretter doch eine Dicke von 25 Millimetern, sie sind 30 mal 30 Zentimeter groß und zumeist aus Fichtenholz
Höhere Werte
Der 40-Jährige hat 2003 mit Karate begonnen, mit 23 Jahren. Das ist ein vergleichsweise später Einstieg. Ihm ging es um den breitensportlichen Aspekt, weniger um das Thema Wettkampf. Um Gesundheit, Bewegung, Disziplin, um Werte wie Höflichkeit, Ehrlichkeit. Um Grundsätze dieser Kampfkunst wie Fairness, Respekt oder Selbstbeherrschung. Offenbar fühlte und fühlt sich der Betriebs-Ingenieur, er ist bei Daimler im Rohbau tätig, wohl beim VfL, denn er übernahm den Posten des Schriftführers, ehe er im Frühjahr des vergangenen Jahres an die Spitze der etwa 80 Mitglieder zählenden Sparte gewählt wurde.
„Trockenübungen sind unheimlich wichtig“, sagt Fields. Immer und immer wieder wird die Schlagtechnik geübt. Der Arm soll nicht geradeaus nach vorne gestoßen werden, sondern zentriert. Die Beschleunigung kommt aus der Hüfte, der Arm wird nahe am Körper geführt, bei Fields sind es die Knöchel des Zeige- und Mittelfingers, die auf des Brett auftreffen. Ziel ist, die Kraft auf einen möglichst kleinen Punkt wirken zu lassen. „Entscheidend ist auch, das Brett im richtigen Winkel zu treffen“, sagt Andy Fields, 90 Grad sollen es sein. Dabei wird nicht das Brett anvisiert, sondern ein Punkt, der einige Zentimeter hinter dem Brett, sprich hinter dem Auftreffpunkt liegt. Ansonsten würde die Faust bei ausgestrecktem Arm vorne auf das Brett stoßen, die Kraft würde nicht mehr auf das Holz wirken. Ein „Tock“ würde ertönen, das Brett bliebe heil.
Die Abhärtung ist ein wesentlicher Bestandteil auf dem Weg zu einem Schlag gegen ein Brett, auf dem Weg zum Bruchtest. Liegestütze auf den Fäusten sind eine Möglichkeit zur Stabilisierung, das Training mit einem Boxsack, Training mit Schlagpfosten, Schlagen in Sand. „Das härtet die Knochen, sie verdichten sich innen“, erklärt Andy Fields. Im Training werden auch so genannte Klickbretter eingesetzt, die eine Bruchstelle haben.
Die mentale Einstellung ist entscheidend, um einen Bruchtest erfolgreich zu absolvieren. „Man muss die Überwindung aufbringen, gegen ein hartes Brett zu schlagen“, erklärt Andy Fields. Dies sei ein längerfristiger Weg. Die Willenskraft muss geschult werden, die Konzentrationsfähigkeit. Diese Dinge gehören zu einem üblichen Karatetraining dazu. Dass ein Schlag gegen ein Brett für das Holz Folgen hat, ist klar, es bricht bei einer entsprechenden Krafteinwirkung.
Der Schmerz ist treuer Begleiter
Ein Schlag hat aber auch Folgen für den Sportler, die Hand schmerzt danach. „Der Schmerz ist eine Begleiterscheinung“, sagt Andy Fields. Es sei klar, dass eine Verletzung aus einem Bruchtest resultieren könne. Vor einem Schlag sei er aber in der Lage, diese Umstände auszublenden. Der Fokus ist auf die in unzähligen Wiederholungen geschulte Technik gerichtet, auf die Atmung, die Körperhaltung. Fields: „Das Ziel ist es, das Brett zu zerschlagen. Darauf hat man hingearbeitet.“ Zweifel, Ablenkungen oder Nervosität würden wohl zu einem Fehlversuch führen.
Andy Fields hat im vergangenen Jahr an der Karate-Weltmeisterschaft im Sindelfinger Glaspalast am Bruchtest teilgenommen. Mit Erfolg, er gewann die Silbermedaille. Unterteil ist diese Disziplin in unterschiedliche Varianten. Fields gewann Edelmetall in der Variante, bei der das Holz von einer Person nur mit zwei Fingern in der Luft gehalten wird. „Ich habe zwei Bretter durchschlagen“, sagt Fields, der sich bei dem Wettbewerb einen Bluterguss zuzog, den er etwa vier Wochen lang spürte. „Das hat nichts ausgemacht“, sagt der 40-Jährige.
Das gehört wohl dazu, wenn man dicke Bretter bricht.
Bild: Andy Fields. Bild: Oberdorfer
Quelle: SZ/BZ-Online