Leichtathletik: Kugelstoßer Simon Bayer droht das Karriere-Ende

Ein Platz im Bundeskader oder Perspektivkader ist für die Sindelfinger Leichtathleten von großer Bedeutung

Leichtathletik. Mit viel Spannung wurde unter den Sindelfinger Leichtathleten die Ernennung der Bundeskaderathleten durch den Deutschen Leichtathletikverband (DLV) erwartet. Ein Platz unter den förderwürdigen Sportlern entscheidet im Zweifel nämlich darüber, ob Leistungssport finanziell überhaupt darstellbar ist. Deutlich sind die Leichtathleten nämlich, selbst auf höchstem Leistungsniveau, von der öffentlichen Förderung abhängig.
Gute Nachrichten gibt es für elf Sindelfinger. Sie sind Teil des Bundeskaders, ob im Nachwuchskader der U20 und U23 oder im Perspektivkader der Aktiven. Gerade ein Platz im Perspektivkader der Aktiven berechtigt zur Sporthilfe, eine große Unterstützung für viele Athleten. Nur Simon Bayer muss sich nun um seine sportliche Zukunft sorgen, für ihn reichte es nur in den Ergänzungskader. „Das bedeutet, dass ich keine Sporthilfe mehr bekomme. In meinem Fall ist es existenziell. Wenn ich keine zusätzlichen Sponsoren organisiere, kann es sein, dass ich mit meinem Sport aufhören muss.“ Schließlich ist Bayer Student, kann aber mit seinem Trainingspensum nicht die Zeit aufbringen, über einen Nebenjob seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zumal Wohnen in Stuttgart mit Anbindung zur Trainingsstätte teuer ist und Bayer allein für seine Sportlerernährung rund 600 Euro monatlich aufbringen muss.

Auch Lea Riedel ist Studentin, für sie brachte die Veröffentlichung der Bundeskaderliste, anders als im vergangenen Jahr, positive Nachrichten. Mit ihrem Vize-Europameistertitel von Tallinn wäre alles andere aber auch überraschend gewesen. Doch Riedel kennt die Schwierigkeiten, die mit einem fehlenden Kaderstatus einhergehen „Ich hätte im letzten Jahr keine Physiotherapie nutzen oder mich ohne Trainer im Kraftraum aufhalten dürfen. Zum Glück hat der Olympiastützpunkt für mich eine Ausnahme gemacht.“ Ohne die Unterstützung ihrer Eltern hätte auch die 22-Jährige ihren Sport nicht in dem Ausmaß weiter betreiben können. Nun erhält sie aber, wie alle circa 1500 geförderte Athleten über alle Sportarten hinweg, die Teil des sogenannten „Top-Teams Future“ sind, eine Grundförderung von 700 Euro. Für Studenten kommen weitere 300 Euro hinzu. Viel wiegt aber auch die Unterstützung bei Trainingslager, die schon ab den Nachwuchskadern anfallen.
Zu diesem förderwürdigen Nachwuchs gehört auch erstmals Hindernisläuferin Kim Bödi sowie Mittelstrecken-Ass Nina Waltert. „Für mich ist die Nominierung eine Anerkennung für meine Leistungsentwicklung“, sagt Bödi, die sich auf die kommenden Kadermaßnahmen freut. Trotz Verletzung hat es auch Paul Specht geschafft, er ist über die 10.000 Meter aufgeführt. Im Nachwuchskader findet sich außerdem Hürdenläufer Stefan Volzer, der neben dem Sport an der Universität Stuttgart studiert.

Tizian Lauria hat einen anderen Weg gewählt. Der 18-Jährige Kugelstoßer hat sich bei der Polizei für ein Studium beworben, im Juli soll es in der Sportfördergruppe losgehen. Auch hier ist der Bundeskader-Status eine Voraussetzung. „Das ist ein duales Studium, bei dem man ein Gehalt bekommt“, sagt Lauria. Für Trainingslager und Wettkämpfe wird der Kugelstoßer außerdem freigestellt und kann sein Studium strecken, um der vielfachen Belastung gerecht zu werden. Eigentlich hatte sich Tizian Lauria schon 2020 um einen Studienplatz beworben, bestand im Winter den Aufnahmetest. „Drei Tage vor der Einstellung habe ich mich allerdings im Training verletzt und konnte nicht eingestellt werden, weil ich sehr viel Praxis verpasst hätte.“
Obwohl noch Juniorensportler befanden sich Velten Schneider, Lisa Sophie Hartmann und Eric Maihöfer schon im letzten Jahr im Perspektivkader und haben es nun wieder geschafft. „Ich habe bisher vom Fördersystem profitieren können. Die Sporthilfe ist für mich essentiell und glücklicherweise wird die duale Karriere explizit unterstützt“, sagt der Medizinstudent Schneider. Als gutes Beispiel gilt unter Läufern der Sindelfinger Philipp Pflieger. „Man muss sich selbst attraktiv machen, über Social Media informiere ich die Leute was ich tue und für Sponsoren ist es natürlich auch eine super Repräsentationsfläche.“

Dass es dabei nicht um die reine Leistung geht, hat Constantin Preis schon herausgefunden. „Bei manchen Sponsoren wird nicht auf Leistung geguckt, sondern auf die Social Media Reichweite, was ich persönlich schade finde. Meine deutschen Meistertitel haben nicht viel verändert.“ Trotzdem gilt für ihn: „Meine Einnahmen hängen zu 100 Prozent an meiner Leistung.“ Der Olympiateilnehmer gehört in seiner Disziplin zur erweiterten Weltspitze, neben seinem Platz im Perspektivkader hat er es in den letzten Jahren häufig in die stark besetzte Diamond League Serie geschafft und kann von seinem Sport mit Hilfe seiner Unterstützer leben. Er studiert Ernährungswissenschaften aus reinem Interesse, im Fokus steht aber die Leichtathletik. Für Preis eine Mentalitätssache. Der gebürtige Moldawier investiert viel Zeit in seine persönliche Entwicklung, sieht sich aber mit sozialen Erwartungen konfrontiert. „Die Gesellschaft hier in Deutschland akzeptiert nicht wirklich, dass man nur Sport machen kann, außer man ist Fußballer.“ Als große Unterstützung bezeichnet er außerdem den VfL Sindelfingen. „Darauf kann ich zählen.“ Die zweite Sindelfinger Olympionikin indes verfolgt einen gänzlich unterschiedlichen Ansatz. Caroline Krafzik übt in Teilzeit ihren Beruf als Grundschullehrerin mit viel Spaß aus.

Bild: Simon Bayer hat seinen Platz im Perspektivkader verloren und muss nun um die Forstsetzung seiner Karriere bangen. Bild: Schüttke

Quelle: SZ/BZ-Online