Turnen: In der Turnhalle von Bayer Leverkusen groß geworden

Ghazal Seilsepour ist neue Leiterin der Turnschule Flick-Flack im VfL Sindelfingen

Turnen – Turntrainer sind eine seltene Spezies. Dies erfährt die Turnabteilung des VfL Sindelfingen seit sie ihre Turnschule „Flick Flack“ betreibt immer wieder. Geeignete Personen für die Leitung dieser Einrichtung sind nur schwer zu finden. Nun können die Turner einen Glückstreffer vermelden. Mit Ghazal Seilsepour gelang die Verpflichtung einer jungen Trainerin, die bereits sechs Jahre Erfahrung im Spitzensportbereich mitbringt: Seit 2015 war die 25-Jährige im Kunstturnforum Stuttgart beschäftigt, ein Jahr davon als Landestrainerin im Nachwuchsbereich.

Voraussetzungen wie geschaffen für den Job in der Turnschule, in der junge Talente bis 14 Jahre die Basiselemente fürs Turnen vermittelt bekommen. Neben den Übungsteilen an den Geräten stehen vor allem Grundlagenarbeit in der Koordination, Körperspannung, Beweglichkeit und Kraft im Vordergrund – Dinge, die auch für jede andere Sportart von elementarer Bedeutung sind.

Mit 18 Jahren kam Ghazal Seilsepour von Düsseldorf ins Schwabenland. Zunächst als Praktikantin beim Schwäbischen Turnerbund in Stuttgart. Die Bundestrainer im Kunstturnforum, der Kaderschmiede für die Spitzenturner des Landes, erkannten rasch das Talent der Nachwuchskraft und schickten sie an die Trainerakademie. Gefördert mit einem Stipendium des Deutschen Turnerbundes absolvierte sie dort ein dreijähriges Diplomstudium und verfügt seither über die höchsten Trainerweihen im Turnbereich.
„Selbst habe ich es nie zur Leistungsturnerin gebracht“, erzählt Ghazal Seilsepour. Obwohl Gerätturnen seit der Kindheit zu einer wesentlichen Konstante in ihrem Leben zählt. Ihr Vater turnte in der iranischen Nationalmannschaft.

Als Ghazal drei Jahre alt war flüchtete die Familie nach Deutschland. In der neuen Heimat ging der Vater für Bayer Leverkusen in der Bundesliga an die Geräte und die kleine Ghazal war immer dabei, wenn der Papa in der Turnhalle trainierte. Während der Vater Riesenfelgen und Salti drehte, schaute sich die Tochter auf dem Handy an, was im Spitzensport der Frauen so geht. „Seit dem Jahr 2004 kenne ich jede Weltklasse-Turnerin und jede ihrer Übung“, sagt sie. Die Faszination Turnen ließ Ghazal Seilsepour seither nicht mehr los und führte sie jetzt zur Turnschule nach Sindelfingen.

Dort traf sie auf Bedingungen, die zwar Turnsport auf hohem Niveau garantieren, aber nicht die Verengung auf den bloßen Spitzensport erfordern. Sie habe erkannt, erzählt Ghazal Seilsepour, dass der Sport in einem Leistungszentrum auf wenige Turner fokussiert ist. Bei der Turnschule sieht sie hingegen ihren Anspruch, „viele Kinder zum Turnen zu bringen“, optimal umgesetzt. Daher kam das Angebot der VfL-Turner genau richtig. Die waren auf der Suche nach einer langfristigen Lösung für die Turnschule, nachdem Trampolin-Trainerin Kirsten Eppard die vakante Leitung vorübergehend übernommen hatte. Der Kontakt zu Trainern der Turnschule, denen Ghazal Seilsepour als Referentin bei der Trainerausbildung begegnete, machte den Eindruck perfekt, dass sie beim VfL an der richtigen Stelle gelandet ist. Ghazal Seilsepours erste Erfahrungen mit dem rund 30-köpfigen Trainer- und Helferstab bestätigen das. „Hier ist ein sehr engagiertes Team am Start, das die Begeisterung fürs Turnen verbindet“, sagt sie und spricht von einem „coolen Miteinander“.

Wer Ghazal Seilsepour fragt was sie in ihrem neuen Job vor hat, der erkennt schnell, dass hier eine junge Dame mit viel Energie am Start ist. Pläne und Visionen? „Oh je, viele“, antwortet sie. „Konkurrenzfähig werden und auf Landesebene vorne mitmischen“, hat sich Ghazal Seilsepour als erstes vorgenommen. Das funktioniere nur mit kontinuierlichem und konsequentem Training, betont sie. Und damit ist sie auch schon bei einem weiteren Thema, das sie zu ihrer Mission machen möchte: eine eigene Trainingshalle, in der die Turngeräte nicht immer auf- und abgebaut werden müssen und die die Turnschule unabhängig machen würde von der städtischen Verteilung der Hallenkapazitäten. „Es gibt hier so viele Kinder, die turnen möchten“, sagt Ghazal Seilsepour und erzählt von durchschnittlich fünf Anfragen pro Woche. „Die muss ich derzeit alle wegen fehlender Hallenplätze vertrösten“, berichtet sie.

Aber nicht nur das Turnen bestimmt in Zukunft das Leben der neue Flick-Flack-Chefin. Einen Teil ihres Jobs nimmt auch die Arbeit an den Gemeinschaftsschulen am Goldberg und im Eichholz ein. Dort ist sie für den VfL Sindelfingen im Rahmen der Ganztagesbetreuung engagiert. „Turnen“, sagt sie und grinst, „ist da eher unbeliebt“. Ghazal Seilsepour greift daher zu Bällen oder dem Klettergerüst, um den Kids die Freude an der Bewegung zu vermitteln und weiß auch diese Seite ihres neuen Jobs zu schätzen. „Das ist ein ganz anderes Umfeld als bisher“, sagt sie und freut sich, dass sie auf diese Weise Gelegenheit erhält, auch einmal über die Welt der Stufenbarren und Schwebebalken hinauszuschauen.

Bild: Ghazal Seilsepour ist die neue Leiterin der Turnschule Flick Flack des VfL Sindelfingen. Bild: z

Quelle: SZ/BZ-Online