VfL Sindelfingen: Roland Medinger hört auf – eine VfL-Ära endet

Prägender Mann des Sports in Sindelfingen

Veronika Graf stellt keinen Tee mehr hin. Das ist ein deutliches Zeichen für die Zeitenwende beim VfL Sindelfingen. Und wie es die Geschäftsstellenleiterin über viele Jahre getan hat, spricht Bände. Oft war es Kräutertee, nach einer Weile Hagebutte, die Sorten wechselten. „Sie meinte mal, ich trinke zu wenig“, sagt Roland Medinger. An diese Aussage kann sich Veronika Graf nicht erinnern, „aber der Roland war immer ein guter Chef. Er hat mir vertraut, mich springen lassen, da hat sich das mit dem Tee irgendwann eingespielt.“

Sindelfingen.

Vielleicht gibt es am Montag ein letztes Mal den warmen Tee, zum Start in seinen letzten Arbeitstag nach 35 Jahren beim VfL Sindelfingen. Der Geschäftsführer geht mit 65 Jahren in den Ruhestand, man mag es kaum glauben. Denn wer die Blau-Weißen begleitet, kommt nicht um den Tailfinger herum, der eigentlich in Tübingen Germanistik und Sportwissenschaften studierte und 1981 das Examen ablegte, um Lehrer zu werden. Für den VfL Sindelfingen war es ein Glücksfall, dass die Lehrerschwemme das Land überflutete und deshalb alles anders kam.

Dass der ehemalige Basketball-Jugend-Nationalspieler mit Einsätzen gegen England und Frankreich auch als Stratege einiges auf dem Kasten hatte, bewies er zunächst als Jugendhausleiter in Leinfelden-Echterdingen. Schwieriges Klientel, deshalb kein einfaches Pflaster, aber irgendwie legte das den Grundstein dafür, sich auf die freie Stelle des Jugendreferenten beim VfL Sindelfingen zu bewerben.

90 Kandidaten

Unter 90 Kandidaten fiel der Zuschlag auf ihn, und damit begann ab dem 1. April 1986 der Umbau eines bis dahin sehr traditionsbehafteten Vereins – was an sich ja noch nichts Schlechtes ist – in einen flotten Klub. Jugendcafé, Jugendkasse, Teamplayturnier, alles gute Ideen, die nicht verpufften, sondern auch umgesetzt wurden. Wie? „Man muss ein hervorragender Kommunikator sein“, ist sich Roland Medinger einer seiner großen Stärken bewusst.

Konzeptionelle Arbeit, die überzeugte. Auch den damaligen VfL-Präsidenten Karl-Heinz Reinheimer, fördernd und fordernd und der als Nachfolger für den scheidenden Geschäftsführer Werner Eitel auf Roland Medinger bestand. Der Rest: eine Erfolgsgeschichte. „Ich kümmerte mich relativ schnell um die Frage der Gesundheitsausrichtung im Verein“, sagt Roland Medinger und startet fast mit seinem Amtsantritt am 1. Januar 1991 als neuer Geschäftsführer mit der Planung des Sportparks in der Innenstadt. Der VfL als Dienstleister, das funktionierte zumindest bis dahin, als der Stadt das Geld ausging, die Tiefgarage an einen privaten Betreiber wechselte und die kostenlosen Parkplätze für die Studio-Mitglieder flöten gingen.

Der große Wurf

Mit dem Umzug des Sportparks in die Sportwelt wurde diese zur Cash-Kuh. Die 2021 eingeweihte Erweiterung war das letzte große Werk, und dass jetzt endlich auch der Gastrobetrieb auf den ehemaligen Volleyballfeldern in trockenen Tüchern ist, macht die Sache rund. Dabei ist das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. 1999 übernahm Roland Medinger die Geschäftsführung des Glaspalastvereins, es folgten 2000 die Gründung der IG Sport, 2002 die des Fördervereins Gartenhallenbad und seit der Einführung der Ganztagsbetreuung an den Schulen 2009 wuchs auch dort das vom VfL Sindelfingen gesteuerte Sportangebot. Heute stehen hier bereits 60 Wochenstunden auf dem Programm. All das sind nur Eckpunkte.

Es klingt fast nach „man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist“, und tatsächlich fällt das Roland Medinger nicht ohne Wenn und Aber leicht. Doch die Wirren der Pandemie wird er ebenso wenig vermissen wie die sich immer schneller entwickelnde Digitalisierung. „Ich bin doch ehrlich gesagt irgendwie noch die Generation Tipp-Ex“, macht er da keinen Hehl draus. Aber wer die Sporttasche mit ins Geschäft nehmen kann, um seinen geliebten Sport sozusagen im Großraumbüro Sportwelt zu erledigen, der weiß schon, was er tut.

Und es geht doch weiter

Wobei – so ganz Schluss ist nicht. In beratender Funktion wird sich Roland Medinger beim Württembergischen Landessportbund einsetzen und anderen Vereinen erklären, wie man Vereinszentren wie in Sindelfingen umsetzt. Der WLSB-Hauptgeschäftsführer Markus Graßmann ist heilfroh: „Ich freue mich sehr, dass wir im WLSB auch weiterhin mit ihm zusammenarbeiten werden, so zum Beispiel bei anspruchsvollen Projekten zur Sportentwicklung, wo er uns als erfahrener und hoch kompetenter Senior Consultant mit Rat und Tat zur Seite steht.“

Und sonst? Vielleicht wird er seinem Sohn David den einen oder anderen Rat geben, denn dieser wandelt als stellvertretender Geschäftsführer des VfL Herrenberg in den Spuren seines Vaters. Reisen, wie zuletzt in die Bretagne und hoffentlich auch bald in die Sonne Malagas, Lesen, Dokus auf Netflix – oder durchschnaufen daheim in Tailfingen und dabei die guten Zeiten zurückholen. Erinnerungen gibt es wahrlich für mehr als einen Ruhestand.

Mit Harry Kibele und Anne Köhler ist Roland Medingers Nachfolgerduo längst gefunden, auf den morgendlichen Tee können sich die beiden aber nicht verlassen. „Das war nur für den Roland“, sagt Veronika Graf, die fest damit rechnet, dass es am Montag auch das ein oder andere tränende Auge geben wird.

Stimmen von Wegbegleitern:

„Roland ist und war seit vielen Jahren die gute Seele des VfL. Er hat den Verein konzeptionell und finanziell großartig vorangebracht.“ VfL-Präsident Dr. Heinrich Reidelbach

„Er hat konsequent die Interessen des organisierten Sports vertreten. Durch klare Vorstellungen und Offenheit für neue Ideen konnten wir das positive Image Sindelfingens als ‚Sportstadt‘ stärken.“Dr. Joachim Wolf, 1999 bis 2007 Leiter des Sport und Bäderamts und heute Bürgermeister in Korntal-Münchingen

„Immer sachlich, durchdacht und offen, im Umgang freundlich und dann beharrlich, wenn es sein muss.“Dr. Oliver Wengert, Vorsitzender IG Sport

„Hervorragende soziale Kompetenz, einzigartige Fähigkeit, auch in hitzigen Diskussionen widerstreitende Interessen zu bündeln und tragfähige Kompromisse herbeizuführen. Seine Sitzungsführung ist legendär.“WLSB-Hauptgeschäftsführer Markus Graßmann

„In über 30 Jahren gemeinsamer Arbeit für den VfL Sindelfingen haben wir so manches innovative und wegweisende Projekt realisieren dürfen. Bei aller Ernsthaftigkeit und Konsequenz im Handeln habe ich immer seinen feinsinnigen Humor besonders geschätzt.“Roland Medingers „rechte Hand“ Harry Kibele

„Ich habe den engen Austausch immer geschätzt. Seine Kompetenz und seine Ruhe und wie er komplizierte Sachverhalte auf den Punkt bringt. Eine Bereicherung und ein ganz toller Kollege.“Harald Link, Vereinsmanager der SV Böblingen.

Bild: Roland Medinger zwei Wochen vor seinem Amtsantritt als VfL-Geschäftsführer am 1. Januar 1991.Bild: Stampe/A

Quelle: SZ/BZ-Online