Leichtathletik: Sindelfingen: Ein VfL-Riese tritt ab

Tobias Dahm schaffte es bis zu Olympia in Rio de Janeiro

Europameisterschaften und Weltmeisterschaften, dazu Olympische Spiele in Rio de Janeiro – Kugelstoßer Tobias Dahm hört mit 34 Jahren auf.

Leichtathletik. Ein großer Athlet und langjähriger Leistungsträger des VfL Sindelfingen hat die Leichtathletikbühne verlassen. Lange hat Tobias Dahm mit sich gerungen und nun entschieden: Er beendet seine Karriere als Kugelstoßer.

Tobias Dahm war über zwei Jahrzehnte mit der Kugel unterwegs, die Faszination ist beim 34-Jährigen ungebrochen. „Der Reiz ist, in kürzester Zeit die maximale Geschwindigkeit und die maximale Kraft einzusetzen und die Kugel so weit wie möglich zu stoßen“, sagt Dahm. Zwar legt er sein Wettkampfgerät beiseite, wird aber nach wie vor regelmäßig am Olympiastützpunkt anzutreffen sein, allein um seine gewaltigen Muskelmassen abzutrainieren. „Außerdem stehe ich den Nachwuchsathleten gerne zur Seite“, sagt Dahm, der auch eine Trainertätigkeit nicht ausschließen möchte.

Seit 2007 war Dahm für die VfL Sindelfingen am Start und feierte im blau-weißen Trikot große Erfolge. Mit einer persönlichen Bestleistung von 15,76 Metern wechselte er vom VfL Ostelsheim in den damals wachsenden Kugelstoß-Kader des Vereins, sehr zur Begeisterung des damaligen Abteilungsleiters Markus Graßmann. Als 15-Jähriger begann er mit ersten Trainingseinheiten am Olympiastützpunkt Stuttgart unter Peter Salzer und wurde parallel in Ostelsheim von Onkel und Trainer Joachim Lange geformt.

Vollzeit als Mechatroniker

Bemerkenswert ist seine spezielle Form der dualen Karriere. In all den Jahren übte er als Kfz-Mechatroniker einen Vollzeit-Job aus und vollbrachte im Feierabend sportliche Höchstleistungen. „Die Doppelbelastung war eine zusätzliche Herausforderung, die Regeneration leidet natürlich darunter, aber das war eben mein Weg“, so der heute 34-Jährige.

Jahr für Jahr steigerte er sich. 2010 gelang mit Platz acht bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe ein erstes Achtungszeichen bei den Aktiven. Die 19-Meter-Marke war zwei Jahre später fällig, bei den Deutschen Meisterschaften in Bochum-Wattenscheid wuchs Dahm über sich hinaus und gewann mit Bestleistung von 19,56 Metern die Bronzemedaille. Sein erstes nationales Edelmetall, damals noch im Schatten von Marco Schmidt, der sich mit einem 20-Meter-Stoß für die EM in Helsinki qualifizierte.

Die 20-Meter-Marke schien zu seiner persönlichen Grenze zu werden. Wieder und wieder verpasste Tobias Dahm die 20 Meter knapp, doch zahlreich errang der Sindelfinger Medaillen bei Deutschen Meisterschaften. International erzielte er Platz acht bei den Hallen-Europameisterschaften in Prag.

Der Olympische Traum

Der Knoten platzte 2016, gerade rechtzeitig, um sich den großen Traum Olympische Spiele zu erfüllen. Der erste Stoß bei einem Hallenmeeting in Sassnitz flog über die 20 Meter und gleich noch viel weiter. Es wurden 20,56 Meter, damit hatte sich der Sindelfinger zusätzlich die Norm für die Hallen-Weltmeisterschaften gesichert. In Portland sprang ein guter achter Platz hinaus.

Es folgte Platz sieben bei den Europameisterschaften in Amsterdam, acht Zentimeter zu wenig für Olympia. „In der Qualifikation war ich in Topform, aber nach dem ersten Stoß war der Wettkampf vorbei, weil ich die Norm für das Finale gestoßen hatte. Das war verschwendet, ich hatte an diesem Tag sicherlich noch weiter stoßen können“, erinnert sich Dahm. Nach viel Zittern schafft es der Sindelfinger aber ins deutsche Olympiateam und erlebt in Rio de Janeiro den Höhepunkt seiner sportlichen Karriere, auch wenn er in der Qualifikation für den Endkampf hängen blieb.

Nach Rio reißt die Achillessehne

Das Jahr der Höhenflüge erlebte aber am 30. Dezember einen tragischen Tiefpunkt. Im Jahresabschlusstraining riss die Achillessehne des Athleten. Tobias Dahm gab nicht auf: „Darauf bin ich stolz. Es war ein harter Weg, ich musste quasi neu Laufen lernen. Aber ich habe immer gedacht: Ich kann so nicht aufhören.“ Erst 2020 erreichte der Sportler sein altes Niveau. Mit 20,13 Metern in Leipzig gewann er die Silbermedaille bei den Deutschen Hallenmeisterschaften.

Mit einer Größe von 2,03 Metern brachte der Athlet rein physiologisch beste Bedingungen für das Kugelstoßen mit. Bis zuletzt arbeitete er hart daran, den komplexen Bewegungsablauf zu perfektionieren und war als Vertreter der Angleit-Technik einer der letzten seiner Art. In der aktuellen Hallensaison stoppte eine Regenbogenhautentzündung im Auge den Sindelfinger, der zuletzt unter Markus Reichle und Artur Hoppe trainierte.

Damit bleibt der letzte Wettkampfauftritt Dahms die Teilnahme bei den baden-württembergischen Meisterschaften letztes Jahr in Ulm. „Ich habe immer gesagt, wenn ich nicht mehr konkurrenzfähig bin, höre ich auf“, so Dahm. Ich habe noch im März voll trainiert, meine Kraft- und Schnelligkeitswerte waren in Ordnung, aber die Weiten mit der Kugel sind einfach nicht mehr gekommen.“ Die Heim-Europameisterschaften in München hatte ihren Reiz, „davon war ich aber weit entfernt“, resümiert der Sindelfinger.

→ Saskia Schüttke begleitete die Karriere von Tobias Dahm von dessen Wechsel zum VfL SIndelfingen bis heute.

Bild: Die Urgewalt des Tobias Dahm: Mit vollem Einsatz schaffte er es bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.Bild: Schüttke

Quelle: SZ/BZ-Online