„Die Resonanz ist überwältigend“
Markus Graßmann aus Ehningen, Hauptgeschäftsführer des Württembergischen Landessportbunds, zum offenen Brief, den 572 Vereine unterschrieben.
Sport und Gesellschaft. 572 Vereine haben den Hilferuf unterschrieben, den der Geschäftsführer der SV Böblingen, Harald Link, wegen der explodierenden Energiepreise als offenen Brief an die drei Baden-Württembergischen Landessportbünde geschrieben hat (die SZ/BZ berichtete). Weitere Meldungen aus Vereinen sind nach Versenden hinzu gekommen. Der Ehninger Markus Graßmann, Hauptgeschäftsführer des Württembergischen Landessportbunds und ehemals Abteilungsleiter der Leichtathleten des VfL Sindelfingen, beschreibt diese Resonanz als „überwältigend“. Doch jetzt sind weitere Schritte dringend nötig.
Wie ist Ihre erste Reaktion auf den offenen Brief?
Markus Graßmann: „Wir sind seit Monaten am Energiethema dran und mit hunderten Vereinen im Gespräch. Die Beteiligung an diesem offenen Brief ist überwältigend und zeigt die ganze Vielfalt des Sports – und auch, wer von diesem Thema betroffen ist vom Schützen- oder Reitverein bis hin zu den großen Mehrspartenvereinen wie im Kreis Böblingen dem VfL Sindelfingen, dem VfL Herrenberg oder der SV Böblingen. Diese Breite ist ein wichtiges Signal an die Politik.“
Was muss dieses Signal auslösen?
Markus Graßmann: „Viele Unternehmen und Institutionen befinden sich in einer existenzbedrohlichen Krise. Doch wenn ich mir das dritte Entlastungspaket anschaue, kommen etliche stark Betroffene so gut wie gar nicht vor. Der Mittelstand, die Handwerker, die Bäcker erheben deshalb genauso wie Krankenhäuser, Altenpflegeheime und der Sport ihre Stimme. Deshalb hat es zuletzt auch die Aktion aller 16 Landessportbünde gegeben, die einen Brief an den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz Hendrik Wüst geschrieben haben. Und der Offene Brief, den die drei Sportbünde in Baden-Württemberg nun an die Landesregierung weitergeleitet haben, ging auch an die Europa- und Bundestagsabgeordneten aus dem Land.“
Die Vereine haben den Brief unter- und damit ihre Not beschrieben. Wie ist denn die aktuelle Situation beim Württembergischen Landessportbund?
Markus Graßmann: „Auch wir haben große Liegenschaften mit den Landessportschulen in Ruit und Albstadt sowie im Haus des Sports in Stuttgart. Wir sprechen bei den Entwicklungen der Energiepreise von zu erwartenden zusätzlichen Kosten für den WLSB von über einer Million Euro. Das macht es schier unmöglich, noch einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen.“
„Jahrhundertproblem“
Muss man den Hebel oben ansetzen?
Markus Graßmann:„Wir sprechen über ein riesiges Problem für uns als Gesellschaft insgesamt, sogar über ein Jahrhundertproblem, das nur auf höchster Ebene gelöst werden kann. Wenn ich aktuell in der Zeitung lese, über welche Summen jetzt in Berlin gesprochen wird, stimmt mich das hoffnungsfroh. Ich glaube, es ist angekommen, worum es tatsächlich geht. Es ist am Ende aber entscheidend, was bei den Menschen unten ankommt, die den Alltag vom Geld auf ihrem Konto bezahlen. Aber eines ist ganz klar.“
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Was?
Markus Graßmann: „Es wird viel teurer, oder besser genauer unbezahlbar, die zerstörten Strukturen in Gesellschaft und Wirtschaft wieder aufzubauen, anstatt diese jetzt zu retten. Als damaliger Bundesfinanzminister sprach Olaf Scholz von der ‚Bazooka‘ über das milliardenschwere Konjunkturpaket, um durch die Corona-Krise zu kommen. Mario Draghi, ehemals Chef der Europäischen Zentralbank nannte die Worte ‚Whatever it takes‘, also ‚was auch immer nötig ist‘. Und das scheint jetzt ja auch zu kommen mit dem Abwehrschirm über 200 Milliarden Euro, den die Bundesregierung verkündet hat.“
Energiepreisdeckel, Rettungsschirm – was ist jetzt für den Sport entscheidend?
Markus Graßmann: „Wie das dann heißt, ist nicht mein Thema. Es muss nur schnell gehen und der Sport darf nicht außen vor bleiben. Die Erfahrungen aus der Corona-Zeit und kürzlich beim dritten Entlastungspaket zeigen, dass wir uns womöglich weiter Gehör verschaffen müssen. Noch ist ja völlig unbekannt, wie der Abwehrschirm ausgestaltet wird und wer drunterschlüpfen darf.“
Haben Sie dennoch einen konkreten Wunsch?
Markus Graßmann: „Dass der Sport auf jeden Fall beim Abwehrschirm berücksichtigt wird und bis dieser steht, niemand in blinden Aktionismus verfällt. So wie in Öhringen, wo jetzt das Hallenbad gegen den Willen sehr vieler Bürger geschlossen wurde und kleine Kinder nicht weiter Schwimmen lernen können oder Reha für kranke Menschen angeboten werden kann.“
Ist überhaupt genug Zeit, um kühlen Kopf zu bewahren?
Markus Graßmann: „Wir stehen vor schweren Entscheidungen mit erheblicher Tragweite, aber Lösungsansätze sind schon länger diskutiert. Für eine Krise, wie wir sie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebten, gibt es keine Blaupause. Und trotzdem brauchen wir Lösungen, die schnell kommen. Es ist Eile geboten um den Mittelstand zu retten, die Kultur und die Krankenhäuser oder Pflegeheime, aber eben auch den Sport. Und wir müssen auf jeden Fall die Zuversicht behalten.“
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Bild: Beim Energiesparen ist der Sport längst in Bewegung. Mit moderner LED-Beleuchtung halbiert die Tennisabteilung des VfL Sindelfingen in der alten Tennishalle den Verbrauch. Bild: Wegner
Quelle: SZ/BZ-Online