Das „Elefantenbrückle“
Die Brücke am Goldberg verbindet seit Jahrzehnten die beiden Städte Böblingen und Sindelfingen. Derzeit ist sie ein beliebter Schleichweg für Autofahrer angesichts der Vollsperrung der Sindelfinger Straße zwischen beiden Orten. Auch am Sonntag beim Derby zwischen SVB und VfL?
Fußball. Ein beliebter, aber ein verbotener Schleichweg. Schleichen passt übrigens, wenn man sich einige Jahrzehnte zurückerinnert: Die Brücke wurde stets genutzt, wenn Fußballderbys zwischen der SV Böblingen und dem VfL Sindelfingen oder umgekehrt anstanden. Viele Anhänger der beiden Teams liefen über die Autobahn- und Eisenbahn-Überführung hin zu den jeweiligen Stadien. Und auch wieder zurück. Je nach Ergebnis schlichen die Fans bisweilen mit hängenden Schultern und hängendem Kopf nach Hause. Den „Riassl nahenga“, sagt dazu der schwäbische Volksmund. Wobei „Riassl“ schwäbisch für Nase ist. Daher hieß und heißt der Überweg in der hiesigen Umgangssprache auch „Elefantenbrückle“, lassen die Dickhäuter doch den ihren Rüssel bisweilen hängen.
Das Hinspiel endete 2:2
Jahrzehnte später ist das praktisch nicht mehr der Fall, der Weg wird kaum noch zu Fuß absolviert. Die Mehrzahl der Besucher fährt mit dem Auto zu den Sportplätzen, einige nutzen das Fahrrad. Angesichts der Sperrung der Sindelfinger Straße würde sich doch wieder ein Spaziergang anbieten, in diesem Fall von Sindelfingen nach Böblingen: Denn am Sonntag (Anstoß 14.30 Uhr) stehen sich beide Teams zum ersten Spiel der Rückrunde in der Fußball-Landesliga im Stadion an der Stuttgarter Straße gegenüber, in der Hinserie endete das Duell 2:2.
Die äußeren Bedingungen damals: Hervorragend. Das Wetter spielte mit, die Partie fand auf Kunstrasen statt, der Ball lief wie an der Schnur gezogen. Die äußeren Bedingungen am Sonntag: Der Platz ist in einem katastrophalen Zustand. Extrem Uneben, tief, der Ball läuft, wie es ihm beliebt. Ebenso katastrophal ist der Zustand der Duschen im Böblinger Stadion (die SZ/BZ berichtete). „Wir werden als Notlösung für das Derby die Duschen im unteren Stockwerk des Paladions nutzen“, sagt Dr. Alexander U. Kayser, Vorstandsmitglied der SVB und zuständig für die Fußballabteilung. Darüber hinaus sei derzeit keine Lösung für das Duschproblem in Sicht. „Wir duschen in Sindelfingen“, sagt Roberto Klug, Trainer des VfL Sindelfingen, „wir müssen ja nur ein paar Kilometer zurückfahren.“
Böblingens Trainer Thomas Siegmund findet es schade, dass ausgerechnet vor dem Derby der Platz so schlecht sei, er rechne angesichts des Rasens mit einem „Hauen und Stechen“, also mit einem sehr kampfbetonten Spiel. „Ich erwarte keinen Teppich“, sagt Roberto Klug mit einem Anflug von Galgenhumor, „ich weiß, dass meine Mannschaft die Bedingungen annehmen wird, dass hat sie in dieser Runde schon öfter unter Beweis gestellt.“ Gleiches gilt auch für die SVB, die unter anderem den VfL Nagold auf dem damals schlammigen Platz zwei im eigenem Stadion mit 3:1 Toren besiegte.
Endrit Syla gehört zu den Topakteuren des VfL Sindelfingen, das hat er unlängst beim 3:0-Erfolg des VfL bei den Sportfreunden Gechingen wieder unter Beweis gestellt, er erzielte alle drei Tore. Der 27-Jährige hat in der Saison 2019/ 2020 das Trikot der SVB getragen, damaliger Coach war Thomas Siegmund. „Ich freue mich auf das Derby und darauf, die alten Kameraden wieder zu sehen“, sagt Syla, der in Böblingen unter anderem mit Sascha Raich, Fabian Schragner oder Daniel Fredel gespielt hat. Diese Routiniers stehen immer noch im Kader der SVB. „Für mich hat das Derby einen besonderen Charakter, im Training davor ist man vielleicht noch etwas konzentrierter“, sagt Syla, der sich um den äußeren Rahmen keine großartigen Gedanken macht. „Es werden sicherlich Fehler passieren. Wenn wir als Mannschaft unsere Leistung abrufen ist es aber letztlich egal, wo wir spielen. Ich habe für das Spiel ein gutes Gefühl.“
Beide Klubs sind nach Abschluss der Hinrunde auf Augenhöhe unterwegs. Sindelfingen belegt mit 30 Punkten Platz drei in der Tabelle, die SVB mit 29 Punkten Position vier. „Wir sind unter den top Fünf, das ist zufriedenstellend“, sagt Thomas Siegmund. Sindelfingen will hingegen wieder in die Verbandsliga aufsteigen, der Rückstand zu Spitzenreiter SG Empfingen beträgt sechs Punkte. Der VfL ist derzeit gut in Schuss, davon zeugen vier Siege in den vergangenen fünf Partien. Zudem ist Sindelfingen aktuell die beste Auswärtsmannschaft. In acht Partien auf fremden Plätzen holte das Team 19 Zähler. „Wir wollen nach dem Sieg in Gechingen auswärts in Böblingen den nächsten Dreier holen“, sagt denn auch Roberto Klug, der den Böblingern eine „tolle Hinserie“ attestiert.
Agim Deskaj wird Sindelfingen wegen seiner Gelb-Roten Karte aus der Partie in Gechingen fehlen, Kenan Kasikci kehrt hingegen wieder zurück. Die SVB muss auf Fabian Schragner und Fabio Carneiro de Carvalho verzichten.
Nach dem Schlusspfiff wird sich zeigen, welche Fans den „Riassl nahenga“ werden. Vielleicht geht die Partie auch Unentschieden aus, dann können alle Anhänger erhobenen Hauptes nach Hause gehen. Ob mit Auto oder Fahrrad, oder doch zu Fuß über das Elefantenbrückle.
Bild: Ein Zweikampf aus dem Hinspiel: der Sindelfinger Endrit Syla (links) und Böblingens Sascha Raich. Bild: photostampe/A
Quelle: SZ/BZ-Online