Prestigeduell in der Landesliga
Auf dem Böblinger Acker kann es nur einen Arbeitssieg geben, und den hat sich die SV Böblingen unterm Strich verdient.
Fußball. Rums, der Ball liegt im Kasten. Vom Verlassen des Kickstiefels bis zum Einschlag vergeht nur eine ganz kurze Zeit. Zu wenig Zeit für Sindelfingens Keeper Alexander Bachmann, um diesen fulminanten Schuss noch zu parieren. Es läuft die 65. Minute im Landesliga-Derby zwischen der SV Böblingen und dem VfL Sindelfingen, als Marvin Pietruschka aus etwa 20 Metern von der halblinken Position die Kugel zum 2:0 für die SVB ins Netz donnert.
Ein Großteil der rund 500 Zuschauer applaudiert lautstarks, auch Sindelfinger Anhänger nicken anerkennend. Zum Dank und unter Beifall wird Pietruschka anschließend von seinem Trainer Thomas Siegmund ausgewechselt. Bei diesem Ergebnis bleibt es. Der Böblinger Erfolg hat Auswirkungen auf die Tabelle: Die SVB kletterte auf Platz zwei, der VfL rutschte auf Rang fünf ab.
Willi Zimmermann: „Böblingen ist besser.“
Willi Zimmermann hat im Kreis Böblingen etliche Mannschaften trainiert, darunter in seiner Jahrzehnte langen Karriere auch die SV Böblingen und den VfL Sindelfingen. Er verfolgt das Nachbarschaftsduell, sein Statement zur Pause: „Böblingen hat die bessere Spielanlage, spielt klarer und zielstrebiger und ist die bessere Mannschaft. Sie führt verdient.“ Die äußeren Bedingungen bei diesem ewig jungen Derby sind alles andere als ideal. Das Wetter zeigt sein typisches Novembergesicht, der Platz ist in einem traurigen Zustand: uneben, er tief und schmierig.
Schuckenböhmers Fehltritt
Vor diesem Hintergrund gebührt beiden Teams ein Lob: Sie nehmen die Bedingungen angenommen, die extrem herausfordernd waren. Die aber auch dafür sorgen, dass fußballerisch einiges auf der Strecke bleibt. Etliche Bälle verspringen, Zuspiele werden zu Fehlpässen, Dribblings enden im Seitenaus, im Toraus – oder sie münden in einer Gelb-Roten Karte: So es in der 59. Minute. Sindelfingens Lucas Schuckenböhmer dribbelt in halbrechter Position aus der Viererkette heraus. Er legt sich die Kugel zu weit vor, grätscht mit der offenen Sohle voraus hinterher, trifft nicht die Kugel, aber Alban Dodoli.
Verwarnt war Schuckenböhmer schon, er muss vom Platz. „Er darf den Zweikampf so nicht führen, wenn er schon die Gelbe Karte hat“, sagt Sindelfingens Trainer Roberto Klug. „In Überzahl haben wir das sehr souverän zu Ende gespielt. Wir waren nicht überhastet und haben gar keine Stimmung aufkommen lassen“, sagt Thomas Siegmund.
Keine Mittel
Die SV Böblingen stand zu Beginn der Partie etwas tiefer und griff die Sindelfinger erst ab der Mittellinie oder gar etwas dahinter an. Böblingen überließ dem VfL mithin zunächst die Kugel. Mit dieser konnte der Verbandsliga-Absteiger aber nicht sehr viel anfangen. „Wir hatten mehr Spielanteile oder mindestens so viele wie Böblingen, wir haben aber keine Mittel gefunden, um wirklich gute Chancen zu kreieren. Wir hatten im letzten Drittel keine Durchschlagskraft, dort haben wir nicht viel zustande gebracht und waren ungefährlich“, monierte Roberto Klug.
Die Böblinger agierten geradliniger und in der Offensive zudem mit mehr Tempo im Vergleich zum VfL. Eine Fülle an Chancen hatte die SVB ebenfalls nicht, das verhinderte schon die Wiese im Böblinger Stadion. Aber sie hatte die eine oder andere Möglichkeit: In der 18. Minute wurde Gabriel Körtge Corral im letzten Moment geblockt, in der 22. Minute donnerte Pietruschka den Ball nach einer Flanke von Körtge Corral volley am langen Pfosten vorbei. In der 28. Minute zeigte Böblingens Torwart Simon Becker seine Klasse, einen Freistoß von Tobias Kubitzsch fing Becker sicher, obwohl die Kugel kurz vor ihm aufsetzte.
Das 1:0
In der 41. Minute geht die SVB 1:0 in Führung: Sascha Raich spielt mit all seiner Routine Noah Sautter auf der rechten Außenbahn aus und passt den Ball flach an den kurzen Pfosten in den Fünfmeterraum. Körtge Corral kommt an die Kugel, Keeper Bachmann ist irgendwie auch noch am Ball, der letztlich im kurzen Eck im Netz lag. „Bei diesem Tor beginnt das Problem schon auf dem Flügel, das haben wir einfach schlecht verteidigt“, sagte Klug. „Uns ist es gelungen, trotz der Platzverhältnisse die Kontrolle zu behalten. Wir haben in entsprechenden Situation gezielt und zielstrebig Richtung Tor gespielt“, sagte Siegmund, „nach gut 20 Minuten ist das Pendel immer mehr auf unsere Seite ausgeschlagen und dort dann auch geblieben.“
Ein Grund dafür war, dass es der SVB gelungen ist, Endrit Syla und Andre Simao gut in den Griff zu bekommen, Syla war bisweilen aus dem Spiel. Gleichwohl zeigte er in der einen oder anderen Szene sein großes Können, wenn er den Ball annahm und schnell mit dem zweiten Kontakt weiterleitete. Daraus erwuchsen aber keine gefährliche Szenen, zumal nicht in Durchgang zwei. Sindelfingen schoss nicht einmal nach dem Seitenwechsel gefährlich auf das Böblinger Tor.
Roberto Klug: „Ich bin nicht zufrieden“
Die SVB hatte hingegen durch einen Schuss von Alban Dodoli, einen Freistoß von Fabio Carneiro de Carvalho und einen Schuss von Felix Widmann durchaus noch Möglichkeiten, um einen Treffer zu erzielen. „Ich bin mit dem Spiel nicht zufrieden und natürlich auch mit dem Ergebnis nicht“, sagte Roberto Klug. „Wir haben diszipliniert gegen den Ball gearbeitet, und das auf allen Positionen“, lobte hingegen Siegmund seine Mannschaft, die sich nach der Partie von ihren Anhängern feiern ließ.
„Mit gefällt der kleine Spieler auf der linken Außenbahn sehr gut, der schlägt klasse Flanken“, auch das sagte Willi Zimmermann in der Halbzeit. Er hat offenbar auch heute noch ein Auge für gute Kicker, denn der „kleine Spieler“ war eben jener Pietruschka, der den entscheidenden Treffer erzielte. „Marvin kommt nach zwei Kreuzbandrissen derart zurück, er bringt Qualität ins Training und spielt bei uns eine gute Rolle. Toll, dass er sich mit dem Tor so belohnt“, sagte Siegmund.
SV Böblingen: Becker, Hamann, Pietruschka (66. Carneiro de Carvalho), Grausam (90. +5 Gläser), Vargas Müller (90. +1 Sener), Widmann, Raich, Bildl, Bilac, Körtge Corral (90. +4 Hlebec), Dodoli
VfL Sindelfingen: Bachmann, Schuckenböhmer, Sautter, Simao, Kasikci, Syla, Edelmann, Kubitzsch, Franke (35. Bothner), Weinhardt, Dittrich
Bild: Torjubel nach dem Treffer von Marvin Pietruschka zum 2:0: Balsam für die Böblinger Seele, Pein für die Sindelfinger. Bild: Photostampe
Quelle: SZ/BZ-Online