28. Abteilung
Rund eineinhalb Dutzend Mitglieder des Sindelfinger Bouleclubs organisieren sich als 28. Abteilung im Sindelfinger Sportverein.
Boule und Pétanque. Ohne Statuten, ohne Beitrag, ohne Vereinsfarben, aber offen für alle und mit viel Spaß am französischen Volkssport Pétanque: In der Region gelten die Sindelfinger Boule-Spieler als “Anarchos”. Mit dem 16-jährigen Béla Mössinger an der Spitze haben sich jetzt gut eineinhalb Dutzend als 28. Abteilung im VfL Sindelfingen organisiert und geben in blau-weißen Vereinsfarben ihr Debüt bei der Winterliga Anfang Februar in der Halle von Stuttgart-Möhringen.
“Wir wollen den Charakter des Bouleclubs im Sommerhofenpark bewahren, der für alle offen ist und in dem Menschen unterschiedlichsten Alters, verschiedenster Nationalitäten, vom Anfänger bis zum Liga-Halbprofi zusammen spielen”, sagen Béla Mössinger und seine Eltern Ulrike und Frank Mössinger, die vor über 20 Jahren die ersten Kugeln im ehemaligen Landesgartenschaugeländes gespielt haben. Zu Beginn noch auf dem Fußweg, dann auf den Bahnen, für die das Gartenamt der Stadt das Material geliefert hat.
Spätestens in diesem Jahr ist der Sommerhofenpark zu einer Hochburg des französischen Volkssports in der Region geworden. Vor allem die jungen Mitglieder des Clubs haben bei der Winterrangliste des Stuttgarter Bouleclubs 2022/2023 in der Möhringer Halle für Furore gesorgt und sind als Trio ins Finale eingezogen. Teams aus Sindelfingen haben auswärts wie in Ötisheim die ersten Turniere gewonnen oder zumindest wie in Steinenbronn das Finale erreicht.
Mit über 50 Spielern aus der ganzen Region hat das 50. Turnier Anfang Oktober im Sommerhofenpark alle Teilnehmerrekorde geschlagen. Auf den Plätzen neben dem Wiesengarten-Café gibt es regelmäßig Besuch aus Waldenbuch, Tübingen, Stuttgart, Horb oder Steinenbronn, wo die 1995 gegründete PSG “knappdanebaischauvorbei” der bislang einzige Bouleverein mit Lizenz im Landkreis Böblingen ist.
Das ändert sich jetzt. Zu den Sindelfingern, die sich anderen Vereinen angeschlossen haben, künftig aber zuhause spielen wollen, gehört Béla Mössinger, der dieses Jahr in Mannheim baden-württembergischer Jugendmeister im Präzisionsschießen wird und mit seinem gleichaltrigen VfL-Basketballkollegen Hugo Moreno bei den deutschen Pétanque-Jugendmeisterschaften in Rüsselsheim spielt. Die neue Abteilung des VfL Sindelfingen gehört damit zum Boule, Boccia und Pétanque Verband Baden-Württemberg (BBPV), der die Lizenzen für den Vereins-Spielbetrieb vergibt.
Pétanque ist ein Spiel, das 1907 der vom Rheuma geplagte Jules Le Noir im südfranzösischen La Ciotat erfunden hat. Anstatt wie im italienischen Boccia oder im provenzalischen Boule ein paar Schritte zu machen, bevor die Kugel geworfen wird, stehen die Pétanque-Leute mit beiden Beinen, also “les pieds tanqués” fest auf dem Boden. Béla Mössinger hat im Sommer 2023 mit seiner Mutter auf dem heute noch genutzten Terrain in La Ciotat gespielt, kennt den Sport aber schon seit seiner Kindheit.
Als Sechsjähriger hat der Sindelfinger seine Eltern zum “Mondial La Marseillaise à Pétanque”, dem mit weit über zehntausend Teilnehmern weltgrößten Boule-Turnier begleitet und in der Mittelmeer-Metropole den mehrfachen und heute wieder amtierenden Weltmeister Dylan Rocher getroffen. Die Präsentation der neuen Abteilung, die Béla Mössinger zusammen mit seinem Vater Frank Mössinger und Kassier Michael Schubert vor einer Woche im Hauptausschuss des VfL abliefert, überzeugt: Einstimmig wird die neue Abteilung aufgenommen.
“Wir freuen uns, dass wir unser Angebot erweitern können”, sagt Anne Köhler, die Geschäftsführerin des VfL Sindelfingen mit seinen derzeit über 8500 Mitgliedern: “Es gibt eine Nachfrage für diese Sportart, die für alle Altersklassen interessant ist und wir freuen uns, dass sich junge Leute ehrenamtlich engagieren. Wir wollen die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen, damit Pétanque eine Zukunft in Sindelfingen hat.”
Den ersten öffentlichen Auftritt als VfL-Boule-Abteilung mit Lizenz haben die Sindelfinger am 10. Februar in der Winterliga-Vorrunde des Bouleclubs Stuttgart in der Möhringer Halle gegen Vereine aus Ötisheim, Ruit, Hochdorf und Ludwigsburg. Antreten werden eine “triplette”, also ein Dreier-Team, sowie zwei “doublettes”, also Zweier-Teams. Mit der Halle in Möhringen sind viele Sindelfinger Spieler inzwischen vertraut. Letztes Wochenende waren dort fast ein Dutzend Leute vom Bouleclub aus dem Sommerhofenpark vertreten.
Der ganz normale, nicht an den VfL Sindelfingen gebundene Spielbetrieb auf den öffentlichen Plätzen im Sommerhofenpark geht wie in den letzten Jahrzehnten weiter. In den Zeiten der Covid-Epidemie waren die Boulebahnen seit 2020 ein informeller Treffpunkt selbst bei Schnee und frostigen Temperaturen.
Bild: Auf den Boule-Bahnen im Sommerhofenpark Sindelfingen ist Offenheit Trumpf: Beim Auswerfen der Spiel-Teams sind alle Kombinationen möglich. Bild: Buscemi/ Archiv P. Bausch
Quelle: SZ/BZ-Online