Am 7. Januar 2011 beim Junior Cup
Großer Moment für VfL-Kapitän Daniel Kniesel – und für den Kaiser verlässt im Jahr 2011 sogar das Goldene Buch zum ersten Mal das Rathaus.
Fußball. Die Lichtgestalt schreitet durch den Sindelfinger Glaspalast. Genauso lässig wie einst auf dem Rasen, wo Franz Beckenbauer das große Spiel so unglaublich elegant interpretierte. Für den Mercedes-Tross geht er mindestens einen Schritt zu langsam, die Vorstände und auch Journalisten warten schon. Im eigens für Beckenbauer aufgestellten Medienzelt am Lieferanteneingang wird es langsam unruhig.
Ein Kaiser kritzelt nicht
Es sind vor allem die türkischen Fans von Fenerbahce Istanbul, die in der Kurve die Gelegenheit ergreifen, Handys und Filzschreiber zücken. Autogrammjäger machen fette Beute, Beckenbauer lächelt gern und nie gequält, der offizielle Zeitplan gerät gehörig durcheinander. Wünsche werden erfüllt, die Unterschriften sind sauber. Ein Kaiser kritzelt nicht, das ist ein Ausdruck der Wertschätzung. Weitere werden folgen.
20 Minuten später als vorgesehen betritt Franz Beckenbauer das Zelt der Offiziellen. Daimler-Vorstände springen auf, Journalisten recken Hälse, doch der erste Weg geht an all ihnen vorbei zu den drei Damen, die für den VfL Sindelfingen und den GSV Maichingen die ViP’s bewirten. Roland Eitel, der beim Junior Cup von Anfang an hinter den Kulissen ein wichtiger Mann ist, erinnert sich genau: „A guats Neies, habt’s ihr alles im Griff?“, begrüßt Beckenbauer die drei Damen. Ladies first, erst jetzt kann die Pressekonferenz beginnen. Hinterher fragt er: „Habt’s ihr au an guaten Weißwein?“ Weil die Damen reichlich nervös sind, greift er selbst zum Korkenzieher und übernimmt wie ein echter Gentleman.
Es ist der 7. Januar 2011, als der Mercedes-Benz Junior Cup in Sindelfingen ganz neue Noten bekommt. Am Start sind Teams wie Fluminense Rio de Janeiro und Manchester United. Franz Beckenbauer ist Markenbotschafter des Automobilkonzerns, reist für den Termin aus Kitzbühel an, fährt abends wieder heim. Begleitet wird er den Tag über von Jessica Goethel aus dem Mercedes-Marketing-Team. Nicht nur in der Halle, auch im Rathaus sind alle ein bisschen aufgeregter als sonst. OB Dr. Bernd Vöhringer hat eine gute Idee. Einer seiner Referenten ist Daniel Kniesel, dazu Kapitän der VfL-Fußballer, Bayern-Fan und damit auch zwangsläufig einer, der zu Beckenbauer hochschaut. Da lässt sich eins mit dem anderen hervorragend verbinden.
Das Goldene Buch verlässt das Rathaus
Zum ersten Mal in der Geschichte Sindelfingens verlässt das Goldene Buch das Rathaus, damit sich eine große Persönlichkeit eintragen kann. Erst Jahre später wird diese Ehre dem Statthalter der amerikanischen Streitkräfte in Europa, Lieutenant General William B. Garrett III., zuteil. Für den Akt wird eigens eine Bühne aufgebaut. Und vor der Signatur überreicht Daniel Kniesel dem Gast ein VfL-Trikot für seinen Enkel.
Den Tag hat Daniel Kniesel bis heute nicht vergessen. Als er am Montag von Franz Beckenbauers Tod erfährt, wird er wieder präsent: „Krass, dass ich den vielleicht größten deutschen Fußballer überhaupt getroffen habe. Sein Stil war so elegant, so einmalig. Erst hatte ich Respekt vor dem Tag und war schon etwas aufgeregt, dann habe ich mich aber riesig gefreut.“ Für den besonderen Moment sollte er sich auf der Rundlaufbahn bereithalten, bis der damalige Schirmherr Oliver Bierhoff um die Ecke kommt. Dann kam der Kaiser: „Total einnehmend, sein Lächeln war nicht gekünstelt. Ich glaube wirklich, es hat ihm Spaß gemacht, hier zu sein.“
„Wahnsinn“
Die Minuten fliegen vorbei, der Moment wirkt nach. Am 8. Januar 2011 ist das Foto mit ihm, Dr. Bernd Vöhringer und Franz Beckenbauer auf der Titelseite der SZ/BZ. „Wahnsinn, was das für Wellen geschlagen hat und wie oft ich darauf angesprochen wurde“, sagt Daniel Kniesel und kann nur ahnen, wie viele das so auch gerne selbst erlebt hätten.
Im Glaspalast bleibt der Weltstar nahbar. Als die Moderatorin Claudia Merzbach nach dem Eintrag ins Goldene Buch ihr Interview mit einer Frage zu Hallenfußball beginnt, sagt Franz Beckenbauer: „Halt, bevor wir anfangen: Erst einmal für alle ein gutes, neues Jahr, das ist das Wichtigste.“ Dann bekommt auch Claudia Merzbach ihre Antwort: „Ich habe die Halle geliebt. Du bist ständig in Bewegung, musst aber nie weite Wege laufen. Und wenn du ein echter Fußballer bist, dann freust du dich, wenn du die Kugel am Fuß hast.“ Spätestens jetzt hat er alle Fans in der Halle gewonnen. Dieses Kaisers Volk kennt keine Nationalitäten.
Bild: VfL-Kapitän Daniel Kniesel, Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer und Franz Beckenbauer vor dem Eintrag ins Goldene Buch. Bild: Fotoknobi/A
Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung