Leichtathletik: „Im ICE von Berlin nach Stuttgart hat mich der Bundestrainer angerufen“

Eine Wette in der sechsten Klasse.

Der Sindelfinger Hindernisläufer Velten Schneider erfuhr so, dass er in Paris bei den Olympischen Spielen starten darf.

Die Olympischen Spiele in Paris stehen kurz bevor und Sindelfingen hat einen Überraschungsteilnehmer. Hindernisläufer Velten Schneider ist nach zuletzt starken Leistungen in der letzten Nominierungsrunde der Leichtathleten auf den Olympia-Zug aufgesprungen. Die SZBZ hat mit dem 24-Jährigen über seinen Kindheitstraum, die fast unmöglich erscheinende Teilnahme und die gute Nachricht im Zug gesprochen.

Herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Nominierung. Wie schafft man es in der zweiten Nominierungsrunde zu den Olympischen Spielen?

Velten Schneider: „Ich bin aufgrund meiner Weltranglisten-Platzierung nominiert worden. Nur 36 Hindernisläufer dürfen an den Olympischen Spielen teilnehmen und ich war knapp dran. Ich wusste also, wenn sich noch etwas verschieben sollte, habe ich eine kleine Chance.“

In der vergangenen Woche ging es plötzlich ganz schnell…

Velten Schneider: „Ich hatte meine Nominierung eigentlich schon abgeschrieben und nicht mehr an meine Restchance geglaubt. Dann haben sich die Nachrichten in der Hinderniswelt überschlagen. Athleten aus England, Schweden und Spanien wurden von ihren Verbänden nicht nominiert. Das ist für den Einzelnen tragisch und tut mir leid, für mich war das aber die Riesenchance. Plötzlich war ich auf Platz 34.“

Wie haben Sie davon erfahren, dass Sie der Deutsche Leichtathletikverband nominiert hat?

Velten Schneider: „Das war am Freitagabend letzte Woche. Ich saß im ICE von Berlin nach Stuttgart und habe vom leitenden Bundestrainer Lauf einen Anruf bekommen. Ich sollte dann auch direkt am nächsten Tag zur Einkleidung, die musste ich aber sausen lassen. Ich bin direkt weiter ins Höhentrainingslager nach St. Moritz gefahren.“

Haben Sie vor dieser Saison erwartet, um einen Olympia-Platz mitlaufen zu können?

Velten Schneider: „Ich habe auf keinen Fall mit den Olympischen Spielen geplant. Ich habe schon alles abgefackelt, um es zu den Europameisterschaften in Rom zu schaffen. Seit April bin ich nur am Rennen und erstaunt, dass ich meine Form so stabil halten und diese Leistung bei den Deutschen Meisterschaften bringen kann. Die Olympischen Spiele stehen über allem, das ist das Nonplusultra. Bald kann ich von mir sagen: Ich bin ein Olympiateilnehmer.“

Im Höhentrainingslager in St. Moritz in der Schweiz trainieren Sie nun unter lauter Top-Athleten für die Spiele?

Velten Schneider: „Ich freue mich auf den Trainingsblock. Ich bin angekommen und habe bei fünf Grad und Regen einen Dauerlauf gemacht und trotzdem gedacht: Genau das will ich gerade tun. Hier bereiten sich sehr viele Läufer vor und ich bin zum ersten Mal ein Teil davon. Das ist ein Wahnsinnsgefühl. Ich tanze jetzt auf der großen Bühne, das war natürlich ein Kindheitstraum.“

Sie sind schon sehr lange in der Leichtathletik aktiv und haben im Teenageralter unter Harry Olbrich begonnen, leistungsorientiert zu trainieren. Wann kamen die ersten Gedanken an eine Olympia-Teilnahme?

Velten Schneider: „Ich habe schon in der sechsten Klasse mit einem Klassenkameraden um die damals unvorstellbar hohe Summe von 50 Euro gewettet, dass ich es schaffe. Die schuldet er mir jetzt. Ich muss selbst erstmal drauf klarkommen.“

Sie opfern viel für den Sport und haben in den letzten Jahren ohne Kaderzugehörigkeit vom Deutschen Leichtathletikverband keine Förderung erhalten. Zusätzlich studieren Sie Medizin. Wie ist das möglich?

Velten Schneider: „Ich habe in diesem Jahr viel investiert. Das war alles Eigeninitiative und ich bin stolz darauf. Nun hoffe ich, dass mir meine Erfolge und die Olympia-Teilnahme den Weg ebnen, Unterstützer und Sponsoren zu finden, die mir einen weiteren Olympia-Zyklus im Leistungssport ermöglichen.“

Sie trainieren bis Anfang August in St. Moritz, wie geht es dann weiter?

Velten Schneider: „Ich habe noch wenig Informationen, aber der TGV am 3. August nach Paris ist gebucht und am 5. August starte ich abends im Vorlauf. Viele meiner Freunde und meine Familie haben Tickets. Ich habe nichts zu verlieren und möchte ein Rennen machen, mit dem ich zufrieden sein kann. Und dann hoffe ich natürlich, bei der Abschlussfeier dabei sein zu können.“

Bild: Für Velten Schneider geht mit der Olympia-Teilnahme ein Kindheitstraum in Erfüllung. Bild: Görlitz

Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung Online