Leichtathletik: Schnell genug für Olympia und doch zu spät

Sindelfinger Sprinterin.

Jessica-Bianca Wessolly vom VfL Sindelfingen läuft mit Wut im Bauch 22,50 Sekunden über 200 Meter, was locker für Paris gereicht hätte. Die Frist ist aber abgelaufen – trotzdem bleibt ein Funken Hoffnung für den Olympia-Start.

Manchmal liegen Freud und Leid in der Leichtathletik wahnsinnig nah beisammen. Das durfte zuletzt Jessica-Bianca Wessolly am eigenen Leib erfahren. Die Sindelfingerin sprintete in La Chaux-de-Fonds eine herausragende Zeit von 22,50 Sekunden, knackte die Direkt-Norm für die Olympischen Spiele über die 200 Meter – leider zwei Wochen zu spät.

Glückwunsch zur tollen Leistung, die leider etwas zu spät kam. Im Ziel hast du geweint, wie geht es dir inzwischen?

Jessica-Bianca Wessolly: „Mittlerweile überwiegt die Freude. Ich und mein Trainer, wir hätten mir diese Zeit nicht zugetraut. Aber bei diesem Rennen hat einfach alles gut zusammengepasst. Ich habe sicherlich auch viel Wut und Enttäuschung reingelegt, dass es mit Olympia nicht geklappt hat. Da wollte ich erst recht zeigen, was ich kann.“

Über das Ranking des Weltverbands hat bis zum Nominierungsende am letzten Juniwochenende nicht viel gefehlt.

Jessica-Bianca Wessolly: „Mir haben ganze acht Punkte gefehlt. Ich bin kurz vor den Deutschen Meisterschaften bei einem hochkarätigeren Wettkampf nicht ins Feld gekommen, sonst hätte ich die Punkte locker gehabt. Aber auch so, die Bestätigungsnorm von 22,90 Sekunden hat mir ja auch noch gefehlt. Die Bedingungen haben einfach nie gepasst.“

„Es war nicht anders als sonst“

In der Schweiz hat dann aber plötzlich alles gepasst mit einer Steigerung der Bestleistung aus dem Jahr 2018 um knapp vier Zehntel. Das sind über die 200 Meter Welten. Merkt man das direkt bei einem Rennen?

Jessica-Bianca Wessolly: „Es war eigentlich nicht wirklich anders als sonst. Die ersten hundert Meter klappen schon seit der EM in Rom besser und hinten konnte ich diesmal viel besser durchziehen. Im Ziel konnte ich es erst gar nicht glauben, ich habe direkt gedacht ‚das kann doch nicht sein‘. Wir werden mein Rennen jetzt in Teilabschnitten auswerten und schauen, wo noch Spielraum ist.“

Die schnellste Deutsche in diesem Jahrtausend

So schnell ist sehr lange keine Sprinterin mehr gelaufen, wie fühlt sich das an?

Jessica-Bianca Wessolly: „Ich bin mega stolz darauf, sagen zu können, dass ich in diesem Jahrtausend die schnellste Deutsche bin. Zuletzt waren Sprinterinnen in den 90er Jahren schneller.“

Eine Restchance auf eine Olympiateilnahme besteht im Ersatz-Staffelpool bist. Wenn sich eine Athletin verletzt, rücken Sie nach. Das heißt, Sie halten sich weiter fit?

Jessica-Bianca Wessolly: „Ich trainiere weiter, aber leider nicht mit dem Team und habe nächste Woche in Berlin noch einen Wettkampf, in dem wir auch nochmal Staffel laufen. Da braucht die deutsche Sprintstaffel mich, um mit zwei Staffeln anzutreten. Ich bin nicht in Paris untergebracht, kann aber wenige Stunden vorher nachgeholt werden und bin quasi auf Abruf, falls etwas passiert. Falls nicht, habe ich in diesem Jahr noch einige Rennen geplant.“

Auf jeden Fall noch vier Jahre

Was waren die Highlights der vielen bisherigen internationalen Wettkämpfe bisher?

Jessica-Bianca Wessolly: „Ich war seit 2018 eigentlich jedes Jahr dabei. Bei der WM in Doha sind wir mit der Staffel Fünfte geworden, bei den Olympischen Spielen in Tokio bin ich über die 200 Meter angetreten. Besonders toll war aber die EM in München. Da bin ich an einem Tag Vorlauf und Halbfinale über die 200 Meter gelaufen und dann noch sehr kurzfristig die Vorläufe der 4400- und der 4100-Meter-Staffel. Sogar die Siegerehrung durfte ich auf dem Podest erleben.“

Und wenn man einmal bei Olympischen Spielen dabei war, möchte man immer wieder dabei sein?

Jessica-Bianca Wessolly: „Nach Tokio wäre es toll gewesen, Olympische Spiele hier ganz in der Nähe zu erleben und ein bisschen Resthoffnung ist ja auch noch da. Ich mache aber auf jeden Fall noch vier Jahre weiter.“

Bild: Jessica-Bianca Wessolly drückt mächtig aufs Tempo. Führt ihr Weg über eine Schleife jetzt doch noch nach Paris? Bild: Görlitz

Quelle: Sindelfinger Zeitung/ Böblinger Zeitung online