Leichtathletik: Das 200-Meter-Halbfinale als Minimalziel

Jessica-Bianca Wessolly bei der WM.

 

Das deutsche Leichtathletik-Team für die Weltmeisterschaften in Tokio (13. bis 21. September) steht: 76 Athletinnen und Athleten gehen in Japans Nationalstadion für Deutschland an den Start. Darunter ist auch Jessica-Bianca Wessolly. Die Athletin des VfL Sindelfingen wird über die 200-Meter-Strecke in den Startblock steigen. Das Ziel: Mindestens das Halbfinale.

 

Das Jahr begann rasant bei der Sindelfinger Sprinterin Jessica-Bianca Wessolly. In der Hallensaison lief sie flotte Zeiten wie am Fließband und war trotz der engen Hallenkurven bei einem Wettkampf in Luxemburg 22,84 Sekunden schnell. Bei den Deutschen Meisterschaften in Dortmund sicherte sie sich außerdem den Deutschen Meistertitel und sahnte eine Menge Punkte für das World Ranking ab. Auch die Bestätigungsnorm des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV) für einen Start in Tokio hat sie seit Januar in der Tasche. Prompt wurde sie für die Staffel-Weltmeisterschaften in China nominiert und absolvierte ein mehrwöchiges Trainingslager in Malaysia, irgendwann dazwischen lief es dann aber nicht mehr rund. „Ich weiß selbst nicht woran es lag, aber mit der Zeit wurde die Form immer schlechter und das hat sich so durch die Saison gezogen“, so Wessolly.

Nach ihrer Asienreise fühlte sich die 28-Jährige erschöpft und eher wie am Ende als am Anfang einer Saison. „Und wenn es dann mal nicht so läuft, ist es schwer wieder reinzukommen.“ Doch die Sindelfingerin lies nicht locker und im Juli ging es für sie wieder bergauf. „Da hatte ich dann ein Niveau um die 23 Sekunden und das ist in Ordnung. Aber wir müssen im Nachgang gucken, was wir besser machen können. Die Ergebnisse der letzten Wettkämpfe waren dann wieder durchwachsen. So startete Jessica-Bianca Wessolly bei der Blue Track Night in Sindelfingen, nur einen Tag später in Schweden und dann in Belgien. Und blieb jeweils deutlich über den dreiundzwanzig Sekunden. „Nach den Deutschen Meisterschaften war irgendwie die Luft raus und ich habe zu viele Wettkämpfe gemacht, da hätte ich wahrscheinlich besser pausiert.“

Saisonbestzeit bei den Deutschen Meisterschaften

Ihre Saisonbestzeit unter freiem Himmel von 22,93 Sekunden erzielte die Sindelfingerin bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden und lief auf den zweiten Platz. Damit war nach der Bestätigungsnorm in der Hallensaison auch der zweite formale Akt für eine Tokio-Nominierung in trockenen Tüchern. Die ersten beiden Athletinnen der Deutschen Meisterschaften werden vorrangig nominiert. „Wir sind positiv gestimmt, auch das Training läuft gut.“ Nun kommt es nur noch auf Wessollys Position im World Ranking an und auch hier sieht es bestens aus. Die Sindelfingerin befindet sich auf Platz 31. 48 Athletinnen gehen in den Vorläufen an den Start. Entsprechend bereitet sich die Sprinterin aktuell auf die Weltmeisterschaften vor. Als angehende Lehrerin hat sie aufgrund der Sommerferien Zeit, sich voll auf das Training zu konzentrieren. „Es steht ein bisschen mehr Krafttraining auf dem Plan, das kommt während der Saison häufig zu kurz. Und wir machen viele Läufe aus der Kurve, damit ich vernünftig auf die Gerade komme und Druck machen kann.“ Am sechsten September geht dann der Flug ins Vorbereitungstrainingslager nach Miyazaki und dann geht es weiter nach Tokio.

Mit Japans Hauptstadt gibt es für Jessica-Bianca Wessolly ein besonderes Wiedersehen. Schon bei den Olympischen Spielen 2021 war sie dort am Start. „Wegen Corona haben wir leider nicht viel gesehen und die Zuschauer kann ich deswegen auch nicht einschätzen, es war ja niemand da.“ Doch die Laufbahn hat die Sprinterin in guter Erinnerung, allerdings hat sie nach ihrem Olympia-Auftritt mit Vorlauf-Aus noch etwas gut zu machen. „Jetzt habe ich die Chance zurückzukommen und es besser zu machen. Ich will ins Halbfinale kommen und nochmal unter 23 Sekunden bleiben. Das wird dafür aber auch nötig sein.“ Auch einen zweiten Start will Wessolly nicht ausschließen. Zwar ist sie nicht offiziell im Staffel-Team, wäre aber durchaus bereit einzuspringen. „Mal sehen, ob ich mich zumindest mit warmmachen soll. Ich weiß nicht, wie fit die anderen sind und stehe zur Verfügung.“

Nicht zur Verfügung steht sie während der Weltmeisterschaften allerdings ihrer Schule. Ausgerechnet direkt nach den Sommerferien beginnt die WM, die angehende Lehrerin im Referendariat musste sich also freistellen lassen. Seit Februar hat Jessica-Bianca Wessolly begonnen an einer Schule zu arbeiten und kommt bislang mit der Doppelbelastung gut klar. „Vielleicht kommt die Regeneration etwas zu kurz, aber ich muss mich nur noch ein Jahr durchbeißen, dann kann ich meine Stunden reduzieren.“ Die Sindelfingerin hat langfristig nämlich noch eine ganz andere Metropole im Blick: Nachdem sie die Olympischen Spiele in Paris knapp verpasste, soll es 2028 in Los Angeles eine olympische Wiedergutmachung geben.

 

Bild: 76 Athletinnen und Athleten gehen in Japans Nationalstadion für Deutschland an den Start. Darunter ist auch Jessica-Bianca Wessolly vom VfL Sindelfingen.

Bild: Ralf Görlitz

Quelle: Sindelfinger Zeitung/ Böblinger Zeitung online