Einen großen Abschied gab es in den Reihen des VfL Sindelfingen. Mittelstrecken-Ass Patrick Oehler beendet seine Leichtathletik-Karriere. Zum Beginn seines Medizin-Studiums in München hängt der 27-Jährige seine Spikes an den Nagel.
„Ich habe viel auf meinem Weg erlebt. Mit tollen Leuten viel Zeit verbracht und für meine Ziele gekämpft. Und darum geht es doch eigentlich“, sagt Oehler.
Im Jahr 2008 kam er aus Dagersheim zum VfL Sindelfingen. Die Anfangszeit war schwer, Oehler verletzt, konnte an keinen Wettkämpfen teilnehmen und gab seinen Einstand im Sindelfinger Trikot erst 2009. Dann wurde er immer schneller. Mit einer taktischen Meisterleistung lief er 2010 bei den deutschen Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe zur Bronzemedaille. Auf seiner Lieblingsdistanz, den 800 Metern, steigerte er sich bald auf eine Zeit unter den magischen 1:50 Minuten.
Die Liste der Erfolge ist lang. Zahlreiche Medaillen gewann er bei baden-württembergischen Meisterschaften. Auch für die 4×400-Meter-Staffel legte sich Oehler ins Zeug. Unvergessen sind seine Meisterschaftseinsätze, bei denen er kurz nach dem 800-Meter-Finale schon wieder für das blau-weiße Quartett am Start stand. Parallel zum zeitintensiven Training arbeitete Oehler im Rettungsdienst und wartete voller Ausdauer auf einen Studienplatz für Medizin.
Im Jahr 2012 hätte rückblickend eigentlich der Durchbruch klappen sollen. Der Sindelfinger startete schnell in die Hallensaison, in Wien dann eine Paradevorstellung. In 1:48,31 Minuten lief er zu einer neuen Bestzeit und setzte sich an die deutsche Spitze. Die Norm für die Hallen-WM in Istanbul war zum Greifen nah. Doch ein Triumph bei den deutschen Hallenmeisterschaften war Oehler nicht vergönnt.
„Die WM war in Sichtweite, dann kam eine Schambeinentzündung. Ich konnte drei Wochen vor den deutschen Meisterschaften nicht trainieren“, sagt der Läufer. Als Favorit schied er im Vorlauf aus. Es folgte eine frustrierende Zeit. „Die Verletzung hat mich ziemlich zurückgeworfen.“
Patrick Oehler musste sich langsam wieder noch oben arbeiten. Im Jahr 2014 kam der Erfolg wieder. Gerne erinnert sich Patrick Oehler an den schnellsten Wettkampf seiner Karriere in Mannheim. „Wir waren erst abends um 9.30 Uhr dran. Ich bin Bestleistung gelaufen. Danach haben Harry und ich mit Bier und Landjäger von der Tankstelle gefeiert.“
1:47,93 Minuten war Oehler schnell. Seinem Trainer Harald Olbrich hat er viel zu verdanken. „Er war immer für mich da und hat mich motiviert, weiterzumachen. Und er hatte den Blick aufs große Ganze. Harry hat sich mit mir nicht nur über sportliche Erfolge gefreut, sondern auch über berufliche, oder wenn ich im Trainingslager ein Mädchen kennengelernt habe.“
So nahm es Olbrich seinem Schützling auch nicht übel, als es ihn zur Freundin nach München zog und die Trainingspläne nur noch per E-Mail ausgetauscht werden konnten. Mit seinem siebten Platz bei den deutschen Meisterschaften in Kassel über die neu entdeckte 1500-Meter-Strecke endete Oehlers Karriere versöhnlich mit einer neuen Bestleistung von 3:43,83 Minuten. Auch wenn der Sportler nicht ganz zufrieden ist. „Mein großes Ziel war eigentlich ein internationaler Einsatz, das habe ich nicht erreicht, also bin ich im Endeffekt gescheitert. Aber ich habe eine tolle Zeit erlebt.“ Ein wenig wurmt es den Sportler, dass die Entscheidung, auf die 1500-Meter-Strecke zu wechseln nicht früher fiel. Hier wäre gerade auf nationaler Ebene, noch der eine oder andere Erfolg möglich gewesen.
Mit dem Beginn des lang ersehnten Medizin-Studiums hat Oehler einen guten Zeitpunkt zum Aufhören gewählt. „Ansonsten wäre ich sicherlich in ein richtiges Loch gefallen, aber jetzt werde ich richtig gefordert.“ Dem Sport hat der Sindelfinger trotzdem nicht den Rücken gekehrt. Regelmäßige werden Dauerläufe absolviert, in der Münchner Hobby-Fußball-Liga kickt Oehler als Außenverteidiger, im Winter geht er oft auf Skitouren.
Und auch seine Prüfungsvorbereitungen geht der 27-Jährige an, wie einst die Wettkämpfe. „Ich bereite mich vor, wie vor einem Rennen“, verrät Patrick Oehler.
Patrick Oehler (Mitte) hat seine Spikes gegen Stethoskop, Tourenski und Fußball getauscht. Bild: Drechsel, Quelle: SZ/BZ-Online