Leichtathletik: Carolina Krafzik vom VfL Sindelfingen: „Meine Schulkasse fiebert immer mit“
Das Sportgespräch: Für die Sindelfingerin erfüllt sich mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio ein Kindheitstraum
Carolina Krafzik war eine der gefeierten Athletinnen der Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Braunschweig. Die 26-Jährige Langshürdensprinterin lief in neuer persönlicher Bestzeit zum Titel und sicherte sich gleichzeitig das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio.
Die SZBZ hat mit der Leichtathletin des VfL Sindelfingen über ihren Kindheitstraum Olympia, das schwierige Aufbautraining und die verschwommenen Erinnerungen an das Rekordrennen gesprochen.
Herzlichen Glückwunsch zum Meistertitel und noch wichtiger, zur Olympia-Qualifikation. Mit dem Rennen haben Sie nicht nur die Norm deutlich geknackt, sondern sich mit den 54,89 Sekunden zwischenzeitlich auf Rang neun der Weltjahresbestenliste gesetzt.
Carolina Krafzik: „Ich bin noch dabei das Ganze zu verarbeiten. Die vielen Nachrichten und Glückwünsche, das hatte diesmal eine ganz andere Dimension und inzwischen ist auch bei mir angekommen, dass die Zeit richtig gut ist. Im ersten Moment habe ich nur wahrgenommen, dass es die Olympianorm ist, aber eine 54iger-Zeit läuft man nicht einfach so.“
Im Vorlauf der Meisterschaften haben Ihnen nur drei Hunderstel-Sekunden zur Norm gefehlt. Wie haben Sie es geschafft einen Tag später nochmal so zu steigern?
Carolina Krafzik: „Ich habe mich nach dem Vorlauf ziemlich geärgert aber dann schnell versucht, den Ärger in positive Energie umzuwandeln.Mein Trainer Werner Spaäth hat mir gesagt, dass mein zweiter Tag immer der Bessere ist. Ich brauche die Vorbelastung. Mental habe ich mich darauf eingestellt, dass es jetzt um Alles geht. Meine Devise war: Ich muss auf den ersten 200 Metern Gas geben und in der zweiten Kurve entscheidet sich das Rennen.“
Wie haben Sie den Lauf erlebt?
Carolina Krafzik: „Ich kann mich tatsächlich kaum erinnern. Ich war unglaublich nervös. Mir war klar, dass ich von Anfang an Tempo machen muss. Während des Rennens war ich dann im Tunnel, zur letzten Hürde habe ich das Publikum wahrgenommen. Das hat mich angetrieben. Ich wusste, jetzt zählt es und ich habe alles rausgeholt und an die fehlenden drei Hundertstel gedacht. Das wollte ich einfach nicht nochmal erleben. Im Ziel habe ich dann ganz kurz gebraucht um zu realisieren, dass da eine 54 vorne steht.“
Die Saisonvorbereitung war nicht einfach. Anfang des Jahres hat Sie ein Knochenmarködem ausgebremst, die Olympischen Spiele waren erstmal ganz weit weg.
Carolina Krafzik: „Ja, Anfang Januar war ich noch im Rehatraining, deswegen musste wir den Aufbau anpassen und bald auf das Schnelligkeitstraining gehen. Die Tempohärte, das war der Plan sollte ich mir dann über Wettkämpfe holen. In den ersten Rennen hat man gesehen, da fehlt hintenraus noch einiges und natürlich zweifelt man dann. Für mich hat da die Team-EM viel geholfen. Da habe ich mich deutlich gesteigert und gesehen: Ich bin auf dem richtigen Weg.“
Stehen noch Wettkämpfe vor Tokio an?
Carolina Krafzik: „Ich muss mich nicht mehr um die Norm kümmern, deswegen ist es jetzt ein wenig entspannter. In dieser Woche geht es darum zu regenerieren und Alles auf mich wirken zu lassen. Aber nächste Woche kommt dann nochmal ein Trainingsblock. Am nächsten Wochenende laufe ich in Regensburg ein 400-Meter-Rennen ohne Hürden, in Luzern Ende Juni nochmal ein Hürdenrennen und dann geht es schon mit der deutschen Olympiamannschaft nach Kienbaum.“
Neben dem Sport arbeiten Sie als Grundschullehrerin Wie schaffst du es beides zu vereinbaren?
Carolina Krafzik: „Für mich ist die Arbeit wichtig, nur Sport das könnte ich nicht. Und meine Klasse fiebert immer mit. Die Deutschen Meisterschaften habe alle Schüler im Fernsehen angeschaut, das finde ich toll. Für die Vorbereitung auf Olympia bin ich aber natürlich freigestellt.“
Wie bereitet man sich auf die Bedingungen in Tokio vor, für die Wettkämpfe sind heiße Temperaturen zu erwarten?
Carolina Krafzik: „Generell habe ich mit warmen Temperaturen kein Problem. Ich fliege wohl knapp zwei Wochen vor meinem Wettkampf nach Japan, um mich zu akklimatisieren. Drei Tage vorher geht es dann nach Tokio. Ich bin sehr gespannt, ich war noch nie in Asien. Leider muss ich aber schon kurz nach den Hürdenrennen wieder nach Hause. Das ist natürlich in diesem Jahr schade, aber wir haben schließlich eine Pandemie.“
Nach den Weltmeisterschaften 2019 in Doha sind die Olympischen Spiele schon Ihr zweites sportliches Großereignis. Was sind Ihre Ziele für Tokio?
Carolina Krafzik: „Ich muss erstmal realisieren, ich bin dabei. Hier geht mein großer Kindheitstraum in Erfüllung. Natürlich will ich in Tokio mein Bestes geben und an meine Bestleistung ranlaufen, am liebsten genauso mutig wie bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig.“