Handball: Herzschlagfinale in der Sommerhofenhalle

Die HSG Böblingen/Sindelfingen besiegt den Verbandsliga-Zweiten

Weil Torhüter Kevin Gsell drei Sekunden vor Schluss einen Siebenmeter hält, besiegt die HSG Böblingen/Sindelfingen den Tabellenzweiten TV Oeffingen mit 27:26.

Handball. Drei Sekunden noch zu spielen, ein Punkt gegen den TV Oeffingen bereits in der Tasche und Siebenmeter gegen sich: Kevin Gsell ist jetzt die Ruhe selbst. Drei gegnerische Strafwürfe hat der Torhüter der HSG Böblingen/Sindelfingen bereits gehalten und war mit weiteren Paraden maßgeblich daran beteiligt, dass seine Mannschaft unmittelbar davor steht, dem Tabellenzweiten seine erst dritte Saisonniederlage zuzufügen. Oeffingens Lars Claren schnappt sich den Ball, kann mit einem Treffer nicht nur einen Zähler sichern, sondern sein Team auch an die Tabellenspitze werfen. Aber Kevin Gsell erkennt in diesem Augenblick, was er nach der Schlusssirene zu Protokoll gibt: „Der hatte Schiss.“

Mit der Fußspitze lenkt der HSG-Schlussmann im Rückwärtsfallen den Versuch des Oeffingers um den Pfosten, ballt daraufhin vor Freude seine Fäuste und ward danach nicht mehr gesehen, als ihn seine Mitspieler jubelnd unter sich begraben. Der Großteil der gut 200 Fans feiert ebenfalls und genießt nicht nur den überraschenden Sieg, sondern auch den Umstand, dass in der Sindelfinger Sommerhofenhalle nach fast genau fünf Monaten Pause überhaupt wieder ein Handballspiel über die Bühne gehen konnte. Probleme mit dem Hallenboden, der Lüftungsanlage sowie neulich erst mit dem Trennvorhang hatten immer wieder für kurzfristige Verlegungen in die Böblinger Murkenbachhalle gesorgt. „Der Fluch scheint vorbei, wir sind zurück in der SoHo“, war Fabian Pirschke bereits vor Spielbeginn bestens gelaunt. „Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Sieg, um diesen besonderen Tag zu feiern.“

„Fex war überragend“

Der Wunsch des einen Abteilungsleiters der HSG Böblingen/Sindelfingen sollte sich erfüllen. Auch weil die Mannschaft von Ingo Krämer an diesem Abend von der individuellen Klasse einiger ihrer Spieler profitiert. So zieht der HSG-Coach nach 20 Minuten beim Stand von 8:7 mit Felix Richter einen Joker, den weder er, noch der Gegner aus Oeffingen so richtig auf der Rechnung hatte. Bis zur 16:13-Halbzeitführung steuert der zuletzt über Wochen angeschlagene Rückraumspieler sechs der acht Tore bei. „Fex war überragend“, gab es ein dickes Lob von Ingo Krämer.

Und dennoch beordert der HSG-Trainer seinen überragenden Mann fünf Minuten nach Wiederanpfiff wieder auf die Ersatzbank und bringt ihn auch erst in der Schlussminute wieder auf das Feld zurück. Auch dieser Schachzug ist letztlich verständlich, denn mittlerweile ist Teamkapitän Stefan Trunk direkt von einer Fortbildung zur Mannschaft gestoßen und fortan vor allem in der Defensive gefragt. „Mit Stefan und Dominic Horsch im Mittelblock standen wir danach einfach sicherer da“, erklärte Ingo Krämer nach dem Spiel fast schon entschuldigend. Die nackten Zahlen geben dem HSG-Coach auch recht, denn die Gäste hatten bis zur 40 Minute aus dem 13:16-Rückstand eine 17:16-Führung gemacht.

Mal vogelwild, dann hanebüchen

Zweieinhalb Minuten vor der Schlusssirene ist die HSG mit 25:26 im Hintertreffen. In einer vogelwilden und selten gutklassigen Partie übertreffen sich die Kontrahenten nun mit teils hanebüchenen Fehlern. Auch Schiedsrichter Kai-Peter König (TV Flein), der das Spiel aufgrund einer Erkrankung seines Kollegen alleine pfeifen muss, nimmt nun eine wichtige Rolle ein. Zuerst lässt der Unparteiische einen von Marian Heinkele geklauten gegnerischen Freiwurf laufen, den Michael Fangerow schließlich zum 27:26 nutzt, ehe er im Gegenzug Marian Heinkele nach zu langem Festmachen eines Gegenspielers die Rote Karte unter die Nase hält und auf Siebenmeter für die Gäste entscheidet.

Ingo Krämer ist daraufhin kaum zu halten. Seinen Unmut äußert er nicht in Richtung des Schiedsrichters, sondern an seinen Spieler. „Lass ihn halt irgendwann los“, bekommt Marian Heinkele auf dem Weg nach draußen noch eine verbale Breitseite ab. Kurz darauf herzen sich die Beiden aber auch schon wieder, denn Kevin Gsell setzt dem turbulenten Spiel mit einem letzten gehaltenen Ball die Krone auf. Ingo Krämer: „Wir freuen uns riesig über das Ergebnis, weniger über unsere Leistung. Aber vor dem Derby am kommenden Freitag bei der HSG Schönbuch kommt der Sieg genau richtig.“

HSG Böblingen/Sindelfingen: Gsell, Martin Root (beide im Tor); Petri, Wild, Horsch (4), Heinkele (7/davon 3 Siebenmeter), Baumann (2), Raff (2), Degel (1), Trunk (1), Fangerow (3), Richter (6), Wieja (1), Heisler

Bild: Freude pur und große Erleichterung: Die HSG Böblingen/Sindelfingen feiert sich selbst nach einem ziemlich wilden Sieg in der Sommerhofenhalle.Bild: Photostampe

Quelle: SZ/BZ-Online