Der Bundestrainer hat angerufen
Überraschend ist Simon Bayer, Kugelstoßer des VfL Sindelfingen, für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften nachnominiert worden. Schon an diesem Freitag tritt er in Eugene zum ersten Mal bei einer internationalen Meisterschaft im Deutschlandtrikot an und ist voller Vorfreude.
Leichtathletik. Der Anruf des Bundestrainers kam spät und unerwartet: Eigentlich hatte der Deutsche Leichtathletikverband seine WM-Mannschaft schon lange nominiert und die Mitglieder zu einem Vorbereitungstrainingslager eingeladen. Weil aber einige internationale Athletinnen und Athleten für die Weltmeisterschaften abgesagt und auf ihren Startplatz verzichtet hatten, konnte der Deutsche Leichtathletikverband kurzfristig sieben weitere Sportler für sein WM-Team berufen, darunter auch Simon Bayer. „Ich habe den Anruf fast verpennt, weil ich gearbeitet und nicht auf mein Handy geschaut habe. Der Bundestrainer hat aber eine direkte Antwort gebraucht, wir mussten binnen zwei Stunden entscheiden“, erzählt der Informationssicherheitsexperte in Teilzeit, der nicht lange überlegen musste. Zwar lag der Fokus im Training schon auf den Europameisterschaften im August, aber die Chance einer Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Eugene wollte sich der 26-Jährige natürlich nicht entgehen lassen.
Kurzfristige Entscheidung
Die kurzfristigen Entscheidungen sind einem neuen Nominierungssystem des Leichtathletik-Weltverbands World Athletics geschuldet, das bei der Nominierung für internationale Meisterschaften mit zwei Kriterien arbeitet. Auf der einen Seite mit einer meist sehr hohen Norm, die über einen längeren Zeitraum erbracht werden kann, im Kugelstoßen hätte Simon Bayer in diesem oder letzten Jahr 21,10 Meter weit stoßen müssen, um einen sicheren Startplatz zu haben. Für den VfL-Athleten eine Marke, zu der ihm noch mehr als ein halber Meter fehlt. Auf der anderen Seite kann auch ein vorderer Platz im World Ranking für eine Nominierung genügen. Teilnehmerfelder werden über das World Ranking bis zu einer vorher definierten Quote je Disziplin aufgefüllt und hier hatte Bayer mit seinem 46. Platz im internationalen Vergleich Erfolg. „Deswegen habe ich auch ursprünglich noch mit der WM geliebäugelt, weil ich nur zwei Plätze von einer Nominierung entfernt war“, so Bayer.
Hinter dem VfL-Sportler liegen in dieser Saison nämlich schon einige starke Wettkämpfe. Im Mai schraubte er seine Bestleistung in München auf 20,37 Meter. In Riederich steigerte er sich um weitere vier Zentimeter und kommt mit seinen 26 Jahren den besten VfL-Kugelstoßern aller Zeiten schon sehr nahe. Bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin zeigte er vor dem Brandenburger Tor Nervenstärke. Nachdem die ersten Stöße misslangen und der ein oder andere Beobachter Simon Bayer für den Medaillenkampf schon abgeschrieben hatte, drehte der Sportler den Wettkampf und sicherte sich hinter David Storl den Vizemeistertitel. Eine Medaille, die im World Ranking wertvolle Punkte wert war und ihn dem WM-Traum näher brachte. „Es ist schön, dass ich mir meinen Traum verwirklichen und zeigen kann, dass harte Arbeit sich lohnt.“
Heute geht schon der Flug des Sindelfingers nach Oregon, die letzten Trainingseinheiten vor dem internationalen Einsatz verliefen gut. „Für meinen Trainer war es aber schon eine Herausforderung, den Trainingsplan umzustellen.“ Mit seinem Start bei den Weltmeisterschaften schließt sich für Simon Bayer ein Kreis. Schon 2014 wollte er unbedingt zur WM nach Eugene, damals fehlte nicht viel für eine Nominierung zu den U20-Weltmeisterschaften, aber der Kugelstoßer hatte gegen die nationale Konkurrenz das Nachsehen. Jetzt, acht Jahre harter Arbeit später klappt es bei den Erwachsenen. „Für mich bedeutet die Nominierung, dass ich es endlich geschafft habe auf die Weltbühne der Leichtathletik“, sagt Bayer stolz. Das Stadion Hayward Field in Eugene war für ihn schon länger ein Traumziel. „Besser geht’s nicht, Eugene ist die Welt-Leichtathletik-Hauptstadt und die Weltmeisterschaften sind die ultimative Leichtathletik-Veranstaltung.“
Sowieso ist ein Start jenseits des Atlantiks für den in den USA geborenen Sportler immer etwas Besonderes. „Das ist ein Stück Heimat für mich. Allein der Stellenwert, den der Sport dort hat, die Erfahrungen, die ich hier mitnehmen kann.“ Erfahrungen sammeln und Spaß haben, das steht für Simon Bayer auch im Mittelpunkt, wenn er am Freitag um 3:55 Uhr morgens deutscher Zeit in den Kugelstoßring tritt und sich für das Finale qualifizieren möchte. „Ich freue mich einfach, Teil der Weltklasse zu sein“, sagt Bayer, der gegen namenhafte Disziplin-Kollegen, wie Weltrekordler Ryan Crouser antreten wird. Mit seinem Wettkampf in Eugene will der Sindelfinger auch viel Motivation für die nächsten Jahre sammeln. „Das Fernziel sind die Olympischen Spiele in zwei Jahren in Paris, für die anstehende Arbeit in den nächsten Jahren will ich mir Inspiration holen.“