Der langjährige VfL-Verteidiger wird 80
Es gibt durchaus mehrere Möglichkeiten, in einem Verein zur Legende zu werden. Eine große Anzahl an absolvierten Spielen sind in dieser Hinsicht hilfreich. Errungene Meisterschaften und Pokalsiege sowieso.
Der Respekt der Mit-, aber auch der Gegenspieler darf selbstverständlich auch nicht fehlen. Und natürlich auch nicht die Treue zum Club noch weit nach dem Karriereende. Mit all dem kann Dieter Wylezich aufwarten.
Am Samstag feiert der langjährige Akteur des VfL Sindelfingen seinen 80. Geburtstag. Und auch wenn er schon länger nicht mehr bei einem Spiel seiner Sindelfinger vorbeigeschaut hat, verfolgt er das Geschehen aus der Ferne trotzdem immer noch detailliert mit. „Dank Zeitung und Internet bin ich immer auf dem Laufenden“, sagt der Jubilar. Akribisch war Dieter Wylezich schon immer. Seine komplette Karriere über hat er noch selbst Buch geführt über seine eigenen Spiele. „Bis zu meinem letzten Einsatz für den VfL habe ich mir alle Partien mit Datum, Endergebnis und den Torschützen notiert“, hält der einstmals gefürchtete Verteidiger besagtes Buch stets griffbereit.
Debüt im VfL-Dress am 13. April 1963
In diesem sind all die legendären Momente seiner Laufbahn festgehalten. Als erstes sein Debüt am 13. April 1963 in Zuffenhausen. „Damals musste ich erst für die Sindelfinger Reserve ran, wurde dort zur Pause ausgewechselt, um dann bei der Ersten auszuhelfen“, erinnert sich Dieter Wylezich noch gut an seinen ersten Auftritt in der 1. Amateurliga und fügt stolz hinzu: „Danach war ich oben fest dabei.“ Schnell fasste der quirlige Außenverteidiger Fuß – und zwar in jedem Bereich. 1961 war die Familie Wylezich vom Remstal nach Sindelfingen gezogen. „Mein Vater wurde nach Böblingen versetzt, zunächst aber bin ich weiterhin an den Wochenenden zu meinem Heimatverein TSV Oberurbach gependelt und habe dort das letzte Jugendjahr vollendet“, blickt er zurück.
In Sindelfingen fühlte sich Dieter Wylezich von Beginn an pudelwohl, und die sportliche Herausforderung war auch ungleich attraktiver. „Das war schon eine ganz andere Hausnummer, vor allem auch die Gegner.“ Die hießen fortan VfB Stuttgart – wenn auch nur die Amateurmannschaft – oder Stuttgarter Kickers. „1. Amateurliga, das entspricht heute der 3. Liga“, sagt Dieter Wylezich mit Nachdruck. Spiele im heimischen Floschenstadion vor bis zu 5000 Zuschauern haben sich in seinem Gedächtnis eingebrannt. „So viel war eigentlich nur im Derby gegen die SV Böblingen los, etwas weniger gegen die Stuttgarter Vereine.“ Knapp 2000 Unentwegte waren es 1971 gegen die Stuttgarter Kickers.
Der VfL hatte den württembergischen Pokal gewonnen und musste in der Qualifikation für den DFB-Pokal gegen die Degerlocher ran. Da Stammtorwart Helmut Silbernagel aufgrund eines Streiks der Fluggesellschaft in Venedig feststeckte und auch kein Ersatztorhüter zur Verfügung stand, kam Sindelfingens Trainer Karlheinz Grindler auf die Idee, Dieter Wylezich zwischen die Pfosten zu stellen. „Du bist Fallschirmjäger, Du hast Sport studiert, Du kannst das“, muss der Aushilfsschlussmann heute noch über die Erklärung seines Coaches lachen. Mit Dieter Wylezich im Tor siegte der VfL 2:1, scheiterte in der Runde drauf aber am damaligen Zweitligisten FC Villingen mit 0:1. Der Traum vom DFB-Pokal war ausgeträumt.
An weiteren erzählenswerten Anekdoten mangelte es dem Geburtstagskind während seiner Karriere trotzdem nicht. Da wäre zum Beispiel die vom „Länderspiel“ gegen Argentinien im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Die Gauchos waren in Sindelfingen abgestiegen, trainierten im Floschenstadion und brauchten auf die Schnelle einen Testspielgegner. Voraussetzung der argentinischen Delegation war: keine Werbung für dieses Spiel, kein Eintritt für Interessierte und kein überhartes Einsteigen gegen die Nationalspieler der Albiceleste. Am Ende wurden rund 3000 Zuschauer Zeuge, wie der VfL dieses Spiel mit 0:2 verlor. Der Gegenspieler von Dieter Wylezich war kein Geringerer als Mario Kempes, der die Argentinier vier Jahre später als Torschützenkönig zum ersten WM-Titel führen sollte. „Ein sensationeller Spieler“, erinnert sich Dieter Wylezich zurück. „Er hatte Finten drauf, die wir so gar nicht kannten. Und er hat beide Tore erzielt. Aber er war auch zehn Jahre jünger als ich.“
Erinnerungsbilder von diesem ungewöhnlichen Duell hat Dieter Wylezich, der 37 Jahre an der Friedrich-Kammerer-Schule in Ehningen Mathe und Sport unterrichtete, keine. Außer die, die sich in seinem Gedächtnis eingebrannt haben. „Mit Mario Kempes habe ich nach dem Schlusspfiff abgeklatscht, das war‘s dann aber auch.“ Solche und ähnliche Geschichten gibt es jeden ersten Donnerstag im Monat im Vereinsheim des TSV Hildrizhausen zu hören. Dann trifft sich der Fußballer-Stammtisch mit all den ehemaligen Kickern aus dem Kreis Böblingen. Helmut „Mebus“ Hörmann, Klaus Haustein, Willi Sehner (SV Böblingen), Gerd „Capo“ Riehm, Rainer Grässlin (beide GSV Maichingen), Reiner Müller, Helmut Heinrich (beide Spvgg Aidlingen), Hans und Heinz Gries (beide TV Gültstein) oder auch der ehemalige VfL-Torhüter Rainer Dinkelacker schauen regelmäßig bei diesem Treffen vorbei. „Es ist immer eine Freude, die Jungs zu sehen“, ist die Veranstaltung für Dieter Wylezich Pflicht. Einige der Erwähnten werden auch mit dabei sein, wenn der Jubilar seinen 80. Geburtstag begeht. Im Waldhorn in Aidlingen haben Dieter Wylezich und Ehefrau Annette geladen. „Ich freue mich sehr auf diesen Abend.“
Bild: In seiner Zeit beim VfL Sindelfingen musste Dieter Wylezich auch als Torhüter aushelfen. Bild: z
Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung Online