Sindelfingen: Nur Sieger beim Werk-Stadt-Lauf

Die 30. Auflage in Sindelfingen.

690 Finisher bei den Hauptläufen, über 500 Bambini, mehr als 1000 Kinder und Jugendliche laufen in Sindelfingen ans Ziel, und erstmals bekommen 58 Handicap-Läufer ihren eigenen Wettbewerb.

Der rein sportliche Wert lässt sich nur im zweiten Atemzug über Spitzenzeiten benennen. Es ist der breitensportliche Wert, der den Sindelfinger Werk-Stadt-Lauf so bedeutend macht. Natürlich gibt es Sieger, Urkunden und Ergebnislisten. So steht beim Citymarketinglauf über 10,6 Kilometer mit Nils Holocher ein Mittelstreckler aus Dornstetten ganz vorne. Seine 33:23 Minuten lesen sich für Hobbyläufer wie eine Fabelzeit aus einer Parallelwelt.

Dabei ist der Gewinner im Ziel nicht einmal platt und sagt: „Den ersten Kilometer habe ich noch abgewartet, ob noch jemand vorne mit dabei sein könnte. Da war aber keiner, deshalb bin ich losgelaufen.“ Und deshalb ist Nils Holocher im Ziel über eine Minute schneller als Hans Schmid von der Leichtathletikabteilung der VfL Sindelfingen. Schnellste Frau in 38:41 Minuten ist Marlena Götza von der SG Stern Sindelfingen. Ihr Vorsprung vor der Sindelfingerin Leonie Wenczel beträgt sogar mehr als zwei Minuten.

Doch sind Zeiten überhaupt wichtig? Die Randgeschichten sind die interessanteren, auch da kann man bei der Spitze anfangen. Den Mercedes-Benz-Lauf über 5,8 Kilometer gewinnt Michael Braun in 19,03 Minuten, der mit dem CSV Team Extreme hier traditionell vorne liegt und dabei gerne die Botschaft von Jesus verbreitet, der Flügel verleiht. Nur neun Sekunden danach läuft mit Cosmo Koch ein ganz interessanter Mann ein.

Normalerweise sind auch hier Laufspezialisten und Mittelstreckler vorne unter sich, der Zweite dieser Strecke ist aber ein 14-jähriger Fußballer aus Weil der Stadt, der am Samstag noch mit der Rutesheimer C-Jugend 1:1 gegen Degerloch spielte, „und nach dem Start eigentlich schon keine Lust mehr hatte. Mir hat das heute keinen Spaß gemacht, ich hatte richtig schwere Beine“, sagt der Cosmo Koch , der mit seinem Team aus der Kreisstaffel in die Landesstaffel aufgestiegen ist und wahlweise auf der Zehn oder auf dem Flügel spielt. Rennen kann er jedenfalls. Bei den Frauen geht der Sieg auch über diese Strecke an Marlena Götza.

Hier geht es zum Kommentar von Jürgen Wegner

Neben Urkunden, die Zeiten und Platzierungen festhalten, gibt es dieses Mal erstmals auch für jeden Teilnehmer Medaillen. Und diese wiederum stehen für einen wahrscheinlich noch wichtigeren Aspekt der Veranstaltung. Das Holzmaterial für Nachhaltigkeit, die ausgefrästen Läufer für filigrane Handwerkskunst und deren bunte Trikots für Vielfalt. Bei den Teilnehmern kommt das ganz offensichtlich sehr gut an: „Das wäre doch eine tolle Sache für den Technikunterricht“, sagt Lea Weckenmann. Die Referendarin nimmt die Idee mit an die Hinterweil-Realschule und könnte sich vorstellen, diese auf die Bundesjugendspiele oder Ähnliches zu übertragen.

Die Vielfalt wird durch eine weitere Neuerung bei der 30. Auflage des 1993 von Axel Stahl ins Leben gerufenen Stadtlaufs deutlich: „Erstmals gibt es Extra-Starts für Menschen mit Handicap. Wir wollen damit Wertschätzung ausdrücken. Bisher sind 16-jährige geistig- oder körperlich behinderte Jungs oder Mädels bei den Bambini mitgelaufen, das hat einfach nicht gepasst“, sagt der Organisator. Den 58 Startern steht das Glück ins Gesicht geschrieben. Außerdem spenden die Firma Edag, die Stadtwerke Sindelfingen und die Kreissparkasse Böblingen jeweils 500 Euro an die Lebenshilfe, die Winterhaldenschule und die GWW-Wohngruppe Ölmühle, die am Start sind. Weitere 250 Euro schießt Ikea zu.

So lief der Schülermarathon

Passend dazu ist die für Rollstuhlfahrer umgebaute hybride E-Klasse, die Matthias Heil oben am Freundschaftsbrunnen des Marktplatzes erklärt. Der Produktmanager der Mercedes-Benz Fahrhilfen ab Werk klappt gerne den Einstiegschutz aus, der verhindert, dass ein Rollstuhl den Schweller zerkratzt. Über das Handbedienungsgerät gibt der Fahrer per Zug Gas und bremst, indem er es nach vorne drückt. Der Lenkraddrehknauf erleichtert die Steuerung. Und die Pedalabdeckung lässt sich abnehmen, wenn mal ein anderer ans Steuer muss. „Solche Autos bauen wir seit 2010“, sagt Matthias Heil. Der in diesem Jahr noch mehr verstärkte inklusive Ansatz war wie gemalt, eine Technik vorzustellen, die für die meisten Baureihen erhältlich ist.

Weitere Hingucker stehen direkt daneben. Zum einen lässt sich Francesco Frasca, Ausbildungsmeister für Kfz-Mechatroniker im Sindelfinger Werk, mit Frack und Zylinder gerne auf dem Originalnachbau des Benz-Patent-Motorwagens fotografieren. Hier beginnt die Zeitreise und endet fünf Meter weiter mit der neuesten vollelektrischen S-Klasse – jetzt auch wieder mit Stern auf der Haube.

Die Verbindung zwischen Werk und Stadt zementiert traditionell ein gemischtes Team. Weil der Erste Bürgermeister Christian Gangel kurzfristig ausfällt, zieht aus dem Rathaus nur Timo Plankenhorn, Chef des Amts für Bildung und Betreuung, eines der neuen Trikots und die Laufschuhe an. Für das Werk Sindelfingen geht neben Alexander Röder erstmals Sara Gielen an den Start, die am 1. Juli die Standortverantwortung für das Werk Sindelfingen übernimmt. „Ich habe nicht extra dafür trainiert und freue mich auf den Lauf“, sagt sie kurz und knapp, dann geht es auch schon los.

Auf die Strecke trötet die Läufer der amtierende Standortverantwortliche Falk Pruscha, der einen Satz sagt, den Axel Stahl ihm noch aufs Brot schmieren wird: „Ja, es juckt und nächstes Jahr laufe ich mit.“ Das Aufwärmprogramm hatte Tatjana Dufour aus dem Vital-Center in Bau 11 beendet, wo sich die Kollegen an anderen Tagen auf 400 Quadratmetern recken und strecken. Beim Zieleinlauf sorgen die Cheerleader des Sport- und Freizeitklubs Böblingen – früher IBM Klub – für Stimmung. Und bei der Siegerehrung spricht neben Falk Pruscha Sindelfingens Oberbürgermeister Dr. Bernd Vöhringer. Zum Werk-Stadt-Lauf, der bei der Premiere noch nicht so hieß, sagt er „Klein angefangen, groß gewachsen, großartig gemacht.“ 30 Mal haben das Axel und Karen Stahl hinbekommen und ernteten auch dafür Applaus.

Zahlen und Fakten:

Auf der langen Strecke gab es 228 Finisher, auf der kurzen waren es 462. 58 Starter gingen bei den Handicapläufen über 500 und 1000 Meter auf die Strecke, dazu über 500 Bambini und weit über 1000 Schüler. Bei den Männern gewann das CSV Team Xtreme die Mannschaftswertung, bei den Frauen die SG Stern Sindelfingen.

Bild: Die Sindelfinger Triathleten Stella Legler und Levent Özgür nehmen die Sindelfinger Handballerin Franziska Michel in die Mitte. Bild: Dettenmeyer.

Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung Online