Tischtennis: Paralympics-Flair im Sindelfinger Glaspalast

DM im Para Tischtennis.

Die Tischtennis-Abteilung des VfL Sindelfingen hatte bei den Deutschen Meisterschaften im Para Tischtennis eine mehrtägige Herkulesaufgabe zu stemmen.

Hinsichtlich des attraktiven Austragungsortes und der sportlichen Leistungen ließen die Deutschen Meisterschaften im Para Tischtennis, die bereits zum dritten Mal in Folge im Glaspalast zur Austragung kamen, keine Wünsche offen. Klar zum Vorschein kam aber auch: Die gastgebende Tischtennisabteilung des VfL Sindelfingen war auf vielfältige Art und Weise gefordert und stieß auf Grund des beträchtlichen Aufwands phasenweise an ihre Grenzen.

36 Spieltische

Die 36 Spieltische in der Arena – sechs weitere wurden zum Einspielen in der Judohalle nebenan platziert – gaben ein imposantes Bild ab. „Solch eine Halle findet man in Deutschland kaum ein zweites Mal“, sagte Steffen Neumann, Leistungssportkoordinator im Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS), „Messehallen oder andere adäquate Standorte könnte man nicht bezahlen.“ Weshalb man gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) gerne wieder in den Süden der Republik fuhr, um die deutschen Meister in den insgesamt elf Wettkampfklassen zu ermitteln.

Durchaus bedauerlich fanden die Organisatoren, dass zur gleichen Zeit ein internationales Para Tischtennis-Turnier stattfand, so dass Aushängeschilder wie Thomas Schmidberger, Valentin Baus oder Sandra Mikolaschek nicht im Glaspalast antraten. „Als der DM-Termin festgezurrt wurde, stand das Turnier in Slowenien noch nicht im Kalender“, sagte der DBS-Tischtennisvorsitzende Thomas Bröxkes.

Paralympisches Flair versprühte die Veranstaltung dennoch mit Teilnehmern wie Jochen Wollmert (TSF Heuchelheim), siebenfacher Paralympics-Teilnehmer und fünffacher Goldmedaillengewinner, der nun zu seinen 37. (!) deutschen Meisterschaften antrat. Oder Thomas Brüchle, der in der Rollstuhl-Bundesliga für Frickenhausen an den Start geht, in Los Angeles seine fünften Paralympischen Spiele erleben möchte und dem die Teilnahme in Sindelfingen wichtig war: „Weil es quasi eine Heimveranstaltung für mich ist und weil die Rollis jahrelang drum gekämpft haben, dass es zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Stehenden kommt.“ Das war früher nicht immer so, auch jetzt gibt es noch Rollstuhlsportler, die gerne ihre separate Meisterschaft ausrichten würden. „Das sind aber eher die Breitensportler, die ambitionierten Spieler spielen gerne vor dieser großen Kulisse“, sagte Thomas Bröxkes. „Nicht nur nebeneinander, sondern miteinander“ traten hier laut WBRS-Vizepräsident Harald Laue alle Athleten an, „das ist gelebte Inklusion und Para Tischtennis, wie wir es leben und feiern wollen.“

 

Erfolgreiche Lokalmatadoren

Medaillengewinne gab es auch für den Tischtennisbezirk Böblingen zu bejubeln. Lokalmatadorin Gracia Rentschler vom VfL Sindelfingen schaffte es mit Partnerin Kathrin Korn (BSV Walldorf) im Doppel aufs Treppchen, sie gewann ebenso Bronze wie der Schönaicher Wolfgang Schucker im Doppel an der Seite des erst 13-jährigen Lucas Laier aus Neckargemünd. „Der Junge ist heiß“, zeigte sich Schucker von seinem zugelosten Partner begeistert. „Morgen fahre ich mit meiner Schulklasse nach Berlin zum Finale von Jugend trainiert für Olympia“, ergänzte Lucas Laier.

Für viel Szenenapplaus auf den Rängen sorgten Spieler wie Thorsten Schwinn (BSV Walldorf), der seit seiner Kindheit auf Grund einer Amputation des rechten Beines mit einer Krücke spielt und sich in einem packenden Fünfsatzfinale gegen Jochen Wollmert durchsetzte. Oder der mehrfache deutsche Jugendmeister Mio Lukas Wagner vom Krummesser SV – dem Linkshänder fehlt auf der rechten Seite einer von zwei Unterarmknochen -, der als Regionalligaspieler für begeisternde Ballwechsel sorgte.

An beiden Tagen sorgten knapp 50 Schiedsrichter, darunter auch welche aus Bayern, Thüringen und Österreich für den ordnungsgemäßen Ablauf des Turniers. Mit Oberschiedsrichter Werner Nüssle, Olaf Kath, Sebastian Seewald und Stefan Trinkert kamen gleich vier vom VfL Oberjettingen. Beim einen oder anderen malträtierten Schläger drückten die Unparteiischen auch mal ein Auge zu.

„Es war definitiv eine Herausforderung, genügend Leute für den Aufbau an einem Werktag zu gewinnen“, nannte VfL-Abteilungsleiter Miroslav Milkovski eine der Hürden, die es aus Sicht des Gastgebers zu überspringen gab. Vom Unterrieden-Gymnasium wurden Ballkinder akquiriert, ebenso von der Sportakrobatik-Abteilung des VfL Sindelfingen. „Die Kinder und Jugendlichen erleben hautnah Inklusion“, sprach Milkovski von einem Lerneffekt.

Für Sorgenfalten sorgte die Resonanz am geselligen Abschlussabend. „Da nahmen etwa 100 Leute weniger teil als im Vorjahr“, sagte der Abteilungsleiter. Geht es nach den Verbandsoberen, würde man gerne auch im kommenden Jahr wieder nach Sindelfingen kommen. „Der VfL hat wieder einen Superjob gemacht“, betonte Thomas Bröxkes. Eine vierte Auflage im Glaspalast wollte man beim VfL nicht gleich von der Hand weisen, allerdings gelte es einige Punkte im Nachgang aufzuarbeiten. „Ich habe im Vorfeld eine Kommunikation auf Augenhöhe vermisst“, ließ Miroslav Milkovski durchleuchten, „ein Jahr Pause würde uns auch mal guttun.“ Sein Amtsvorgänger Carsten Seeger bemängelte die semi-professionellen Strukturen der Turniermacher: „In den Köpfen mancher Organisatoren haben diese Meisterschaften noch nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdienen.“

 

Bild: Die 36 Spieltische in der Arena – sechs weitere wurden zum Einspielen in der Judohalle nebenan platziert – gaben ein imposantes Bild ab.

Bild: Holzapfel

Quelle: Sindelfinger Zeitung/ Böblinger Zeitung online