Leichtathletik: Keine Zeit mehr für Merkel und Co.

Quelle: SZ-BZ Online
Mehr als drei Monate ist es her, da katapultierte sich Niko Kappel ins Rampenlicht: Gold in Rio bei den Paralympischen Spielen. Seitdem hat sich das Leben des 1,44 Meter großen Kugelstoßers kräftig verändert. Der Sindelfinger muss seitdem neben dem täglichen Training und der Arbeit als Bankangestellter auch noch zahlreiche öffentliche Auftritte unter einen Hut bringen. Da muss man gehörig aufpassen, damit der Sport nicht in der zweiten Reihe landet.
Sein Kraftakt auf 13,57 Meter im Krimi der Kleinwüchsigen bescherte Deutschland bei den Paralympischen Spielen die erste Goldmedaille.
Seitdem ist Niko Kappel öffentlich bekannt, wie kaum einer seiner Trainingskollegen, zu denen immerhin zwei Olympiateilnehmer gehören. In den Goldenen Büchern der Städte Sindelfingen, Welzheim und Stuttgart steht jetzt sein Name. Mit dem Deutschen Behindertensportverband machte der 21-Jährige Werbung für seinen Sport. Im Fernsehen war er als Gast bei Markus Lanz zu sehen, außerdem im Morgenmagazin, beim Sport im Zweiten und in der Landesschau. Gemeinsam mit dem ebenfalls kleinwüchsigen Paralympics-Fünften Mathias Mester moderiert Kappel den SWR-Sportjahresrückblick, der am 17. Dezember ausgestrahlt wird.
„Die Auftritte haben mir alle sehr viel Spaß gemacht. Und ich kann meinen Sport präsentieren“, sagt Kappel. Doch damit nicht genug. Beim Parlamentarischen Abend in Berlin gratulierte Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich zur Goldmedaille. Von Bundespräsident Joachim Gauck bekam Kappel das Silberne Lorbeerblatt überreicht. Die höchste Sportauszeichnung des Landes. „Ich hätte nie gedacht, dass mein Erfolg so gut ankommt. Der paralympische Sport scheint in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden und für mich ist es toll, Teil des paralympischen Gedankens zu sein“, sagt Kappel.
Das könnte sein erfolgreiches Jahr 2016 krönen, das mit einem Wechsel zu den Blau-Weißen begann. Für den VfL Sindelfingen eine völlig neue Erfahrung: Ein Behindertensportler in der Leichtathletikabteilung. Für Kappel der nächste Schritt zu einer herausragenden Sportkarriere. Mit dem neuen Verein, der starken Trainingsgruppe um Tobias Dahm und Trainer Peter Salzer im Rücken, gelang eine Wettkampfsaison der Superlative. Sowohl in der Halle, als auch unter freiem Himmel stellte der Kugelstoßer deutsche Rekorde wie am Fließband auf. Bei den Europameisterschaften gewann er den Vizemeistertitel. Im paralympischen Finale dann der Höhepunkt.
„Ich war viel unterwegs und habe sehr viel mitgenommen, nun geht es aber wieder ans Training“, so der Paralympicssieger. In den letzten Monaten stand eine Ruhepause an. Durch die vielen Ehrungen und Fernsehauftritte wäre ein geordneter Trainingsbetrieb ohnehin nicht möglich gewesen. Aber jetzt ist die Zeit für Merkel und Co. abgelaufen.
Niko Kappel baut seit fünf Wochen wieder seine Form auf. Einen halben Tag arbeitet er für die Volksbank Welzheim, die andere Tageshälfte ist für das Training reserviert, dazwischen quetscht er seine Termine. „Zum Glück ist mein Trainer Peter Salzer sehr flexibel. Er steht den ganzen Tag in der Halle. Das ist für mich viel wert. Das Training soll nicht in Mitleidenschaft gezogen werden“, sagt Kappel. Der Sportler würde gerne weitere öffentliche Auftritte folgen lassen. „Der Tag hat aber leider nur 24 Stunden und mein Terminkalender ist gut gefüllt. Deswegen hoffe ich, dass sich im Sponsorenbereich etwas entwickelt, dann hätte ich mehr Zeit dafür.“
Im Mittelpunkt soll aber weiterhin die Kugelstoßkarriere stehen. Derzeit geht es besonders im Krafttraining zur Sache. Auch zur Kugel hat er schon einige Male gegriffen. „An der Technik gibt es immer etwas zu verbessern, an meiner Schnelligkeit muss ich arbeiten, genau wie an meiner speziellen Kraft. Ich bin noch lange nicht an meiner Grenze“, sagt Kappel. Nach dem Paralympicssieg hat Kappel noch viele Ziele. „Ich war noch nicht Weltmeister oder Europameister, und zum Weltrekord fehlen mir auch noch einige Zentimeter.“
Info
Niko Kappel ist nominiert für die Wahl zum Sportler des Jahres mit Handicap. Auf www.sportschau.de kann man für den Sindelfinger die Stimme abgeben.
Im Scheinwerferlicht: Niko Kappel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bild: z
Im Ring: Der 21-Jährige konzentriert sich wieder aufs Training. Bild: Drechsel