Judo: Beim Aktionstag der Sindelfinger Bürgerstiftung mit Kindern aus der Winterhalden- und Martinsschule zeigt die VfL-Abteilung, wie bedeutend die Werte ihrer Sportart sind
Martin Hassler hat recht: „So manche Behinderung ist einfach nicht zu sehen“, sagt der Rektor der Winterhaldenschule. 44 seiner Schüler betreten im Glaspalast die Matte und damit ganz neue Welten. Knapp 60 Martinsschüler kommen in der zweiten Welle in denselben Genuss.
Am Mattenrand bekommt Dr. Joachim Schmidt große Augen. Das Motto der Bürgerstiftung „kreativ statt aggressiv“, das Thema „Sindelfingen in Bewegung“ und der Ansatz, Kindern einen Zugang zu schaffen, den sie sonst nicht haben – all das ist heute doppelt und dreifach erfüllt. „Das ist einfach wunderbar“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Sindelfinger Bürgerstiftung..
Im achtsamen Kampf auf sanften Wegen verschwimmen Schwellen und verschwinden Barrieren. Nur ein Zweifel schwebt im Raum: Eigentlich ist ja gedacht, durch die intensiven Trainingstage Nachwuchs in die Abteilungen zu spülen. Ob das ausgerechnet über diese beiden doch besonderen Schulen gelingen kann? Martin Hassler denkt quer und damit weiter: „Die Judoka sind so breit aufgestellt, da gibt es auch niederschwellige Angebote und somit viele Möglichkeiten. Außerdem bietet der Sport noch viel mehr außerhalb der eigentlichen sportlichen Wettkämpfe.“
Alle sprechen die gleiche Sprache
Dr. Joachim Schmidt sieht das ähnlich. Alleine, wenn er daran denkt, wie Eltern in Kontakt treten, weil ihre Kinder Sport treiben, ist er glücklich. Somit bekommen die Aktionen der Bürgerstiftung noch eine weitere, integrative Dimension. Oder anders: Sport kennt weder Religion, noch Hautfarbe – aber alle sprechen die gleiche Sprache.
Was all diese Punkte angeht, nehmen die Judoka des VfL Sindelfingen eine herausragende Rolle ein. Nur an der Wahrnehmung könnte man noch feilen. Denn obwohl die Tradition in Sindelfingen groß ist, und obwohl sowohl die Männer, als auch die Frauen in der Bundesliga kämpfen und Kaderathleten am Fließband in Weltklasse-Duelle gehen, dürften sich gerne mehr Zuschauer zu den Heimkämpfen einfinden.
Es ist einfach nur bärenstark, was die Abteilung auf die Beine stellt. Nicht nur an diesem besondern Tag, an dem die beiden hauptamtlichen Trainer Frixos Raidos und Thomas Schwitalla mit den Bundesligakämpfern Milot Jusufi, Conny Gaal und Regina Kristen sowie mit den Nachwuchskräften Niklas und Jonathan Schröck, Noah Keller, Laura Krutsch und Dylane Schwer facettenreiche Angebote machen. Auch die Gymnasiasten aus dem Unterrieden und den Pfarrwiesen leben eindrucksvoll vor, was Judo zu bieten hat.
Das wiederum ist eine ganze Menge mehr als die großen Außensicheln, stabilen Schritte und Duelle auf Augenhöhe, die es an den sportlichen Stationen gibt. Denn ein bisschen tiefer in den Katakomben hält Regina Kristen den Schülern auf eine andere Weise die Steigbügel. Selbstbeherrschung und Respekt, Ernsthaftigkeit, Ehrlichkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit, Wertschätzung und Freundschaft gesellen sich bei den Judokas zum Mut, den es braucht, um sich in den Kampf zu stürzen.
Das alles sind hehre Werte, die es hinauszutragen gilt. Deshalb sind die Mattenkämpfer die einzige VfL-Abteilung, die in sieben Sindelfinger Kitas einmal pro Woche ihre Lehren verbreiten. 150 Kinder sind dann unter den Fittichen von Thomas Schwitalla und Frixos Raidos.
Die Strukturen suchen somit ihresgleichen im Olympiastützpunkt Sindelfingen, in dem es auch noch die Freizeitgruppe gibt und die Frauenfitness, Selbstverteidigungskurse und Saunagänge, Krafttraining unter professioneller Anleitung und Wettkämpfe auf jedem Niveau von der Bezirksliga bis zur Bundesliga. 431 Mitglieder gehen und leben diesen Weg, die Infrastruktur bietet reichlich Platz für etliche mehr.
Da sich die Hoffnung auf mehr Zugänge mit den Zielen der Bürgerstiftung deckt, den Kindern Zugang zum Sport zu verschaffen, könnte die Aktion kaum besser sein. Vorausgesetzt, die Kinder haben ihre Freude an all den Angeboten, also dem Schülermarathon, dem Fitnesstag im und rund um den Glaspalast, den Wassersporttagen und dem Judotag. Wer die leuchtenden Augen und die strahlenden Gesichter gesehen hat, wird daran nicht zweifeln. Oder, um es mit Lauras Worten aus der Winterhaldenschule zu sagen: „Das war brutal gut hier.“
Bild: Da ist selbst ein von Europameisterschaften gestählter Frixos Raidos platt: Die Schüler aus der Winterhaldenschule und der Martinsschule legen den Top-Judoka reihenweise aufs Kreuz.Bild: Wegner
Quelle: SZ/BZ-Online