Der Sindelfinger Kugelstoßer verbessert sich auf 20,43 Meter
Den vergangenen Sonntag in Rochlitz darf Simon Bayer getrost als eine Sternstunde seiner bisherigen Karriere bezeichnen. Der 27-Jährige trat vor einem tobenden Publikum in Bestform auf und schraubte seine Bestleistung auf 20,43 Meter. „Wenn du so eine Leistung bringst und die Leute ausrasten, ist das richtig geil“, so der Sindelfinger Kugelstoßer.
Leichtathletik. In einer solchen Situation die Ruhe zu bewahren und zu überzeugen, das ist etwas, was Simon Bayer lange Jahre nicht gelang. Doch nun hat sich der VfL-Athlet ein neues Selbstbewusstsein erarbeitet, das eng mit einer gefestigten Stoßtechnik und den Erfolgen im vergangenen Jahr zusammenhängt. 2022 war Bayer so erfolgreich wie nie unterwegs, er ließ die Kugel nicht nur mehrfach über die 20-Meter-Marke fliegen, sondern qualifizierte sich sogar für zwei internationale Meisterschaften. Bei den Weltmeisterschaften in Eugene schnupperte er erstmals in der Aktivenklasse Wettkampfluft in der internationalen Spitze. Bei den Europameisterschaften in München konnte er diese Erfahrung gleich nutzen und stieß sich im Finale auf Platz elf.
„Ich habe mich technisch in den letzten Jahren unglaublich entwickelt. Und ich denke, ich habe nun meine Technik gefunden“, sagt Bayer. Viel hängt bei ihm an der Beinarbeit im Ring, kann ein Drehstoßtechniker doch nur eine große Weite erzielen, wenn die Beine arbeiten, der Oberkörper wartet und die Kugel aus der aufgebauten Spannung beschleunigt wird. „Unten zählt es, da muss ich nach vorne arbeiten. Früher habe ich mich klein gemacht und bin zu hektisch geworden.“ Gemeinsam mit Trainer Markus Reichle ist es gelungen, die Technik zu festigen. Und weil Simon Bayer nach intensivem Vorbereitungstraining in den letzten Monaten auch rechtzeitig zu den Saisonhöhepunkten körperlich immer frischer wird, passte in Rochlitz viel zusammen. „Ich habe es schon in den Tagen davor im Training gemerkt, dass ich fit bin und war den ganzen Wettkampf über sehr selbstsicher“, sagt der Sindelfinger, der sich gleich mit seinem ersten Stoß auf 20,20 Meter angriffslustig zeigte. „Das geniale am Wettkampf war, dass ich, seitdem ich Hallenwettkämpfe bestreite, noch nie bei einem solchen Wettkampf überzeugen konnte. Ich war immer besonders nervös.“ Mit Bayers neuer Selbstsicherheit aber war es diesmal anders. Zu den selbstgewählten Klängen von ACDC stieg er in den Ring und schleuderte seine Kugel unter den Augen seines Vaters zu einer neuen Bestleistung. „Diese Musik verkörpert für mich Kugelstoßen. Und die Zuschauer gehen dazu ab. Der Stoß hat sich nicht besonders weit angefühlt, aber dann habe ich die Zuschauer ausrasten gehört“, erzählt Bayer. Die erzielte Weite überwältigte ihn allerdings nicht. „Es war zu erwarten, dass ich so weit Stoße, das hat mich nicht umgehauen. Ich bin eher gespannt, wie weit es noch geht. Da kann alles herauskommen.“
Die beste Kugelstoßerzeit liegt schließlich noch vor dem 27-Jährigen. Seine beiden leistungsstarken Sindelfinger Vorgänger, erst Marco Schmidt, dann Tobias Dahm stellten erst mit Ende 20 ihre persönlichen Bestleistungen auf und setzten sich an der deutschen Spitze fest. Und sie zeigten auch in den Jahre danach noch konstant starke Leistungen. Zu beiden fehlen Bayer nur noch wenige Zentimeter. Dahms Bestleistung liegt bei 20,56 Metern, Schmidts bei 20,58 Metern. „Natürlich wäre es cool, den baden-württembergischen Rekord zu haben, aber für mich ist es wichtiger, International mitmischen zu können“, sagt Bayer. Allerdings ist ihm wohlbewusst, dass seit der Karriere von Marco Schmidt das weltweite Niveau im Kugelstoßen deutlich gestiegen ist.
„2004 wurde man mit gut 21 Metern Olympiasieger. Jetzt muss man 21,50 Meter stoßen, um sich überhaupt zu qualifizieren.“ Das wäre mehr als einen Meter weiter als Bayers aktuelle Bestleistung, doch der Sindelfinger traut sich Weiten in dieser Region durchaus zu. Das nächste Ziel sind aber erst einmal die Hallen-Europameisterschaften Anfang März in Istanbul. Ob Bayer mit von der Partie ist, darüber entscheiden die nächsten beiden Wettkämpfe. Am kommenden Mittwoch wird er beim hochklassigen Silver-Indoor-Meeting in Belgrad antreten, in einer guten Woche dann bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund. Zeigt er gute Ergebnisse und Platzierungen bedeutet das viele Punkte im entscheidenden World Ranking. Aktuell liegt Bayer in der europäischen Rangliste auf Platz 22, die ersten 18 reisen zur Hallen-EM. Und auch dort werden wieder wertvolle Punkte vergeben, die den Weg zu Bayers ganz großem Traum ebnen sollen: Einer Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris.
Bild: Simon Bayer verbessserte seine Bestmarke auf 20,43 Meter. Doch das soll nicht das Ende der Fahnenstange sein. Bild: Schüttke
Quelle: SZ/BZ-Online