Tischtennis: Sindelfinger Erfolgsgeschichte im dritten Anlauf

DM im Para-Tischtennis im Glaspalast

Zwei kompakte Turniertage, über 200 Teilnehmer, insgesamt 737 Spiele in 32 verschiedenen Wettbewerben an 36 Tischen, 50 Schiedsrichter, etwa genauso viele Ballkinder und weitere 50 Helfer aus der gastgebenden Tischtennisabteilung des VfL Sindelfingen – die Deutschen Meisterschaften im Para-Tischtennis im Glaspalast beeindruckten allein schon durch das nackte Zahlenwerk.

Behindertensport. „Alle Beteiligten haben abgeliefert, die Athleten spielerisch, die Glaspalast-Crew und der VfL organisatorisch, das war eine rundum gelungene Veranstaltung“, zeigte sich Para-Tischtennis-Bundestrainer Volker Ziegler aus Lehenweiler positiv angetan von seinem „DM-Heimspiel“. Überhaupt blickte man allenthalben in zufriedene Gesichter. Auch die Bundestagsabgeordnete Jasmina Hostert ließ es sich als bisherige ehrenamtliche Präsidentin des Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationsverband (WBRS) nicht nehmen, der Veranstaltung einen Besuch abzustatten und die Siegerehrung vorzunehmen. Genauso wie Sindelfingens Erster Bürgermeister Christian Gangl am ersten Turniertag. „Es war prima, die Wettkämpfe einmal live zu erleben, die Gegebenheiten waren super“, konstatierte Jasmina Hostert. Ihre WBRS-Nachfolgerin Maren Pilchowski sprach von einer „äußerst professionell ausgerichteten Veranstaltung.“

An eine Tischtennis-Veranstaltung im Sindelfinger Glaspalast konnten sich vor Ort nur die wenigsten erinnern. „Vor etwa 35 Jahren richteten wir mal die Senioren-DM aus“, sagte Abteilungsleiter Carsten Seeger, der sich mit seinen Helfer-Crews um den Auf- und Abbau der angelieferten Tische und Spielfeldumrandungen kümmerte, außerdem um das Catering, den Bunten Abschlussabend und den Einsatz der Ballkinder, die unter anderem von VfL-Abteilungen oder anderen Tischtennisvereinen gestellt wurden. Aus sportlicher Sicht blieben die großen Sensationen erwartungsgemäß aus. Aushängeschilder wie die Paralympics-Medaillengewinner Valentin Baus und Thomas Schmidberger und Weltmeisterin Sandra Mikolaschek (alle Borussia Düsseldorf) wurden ihrer Favoritenrolle gerecht.

Aushängeschilder im Glaspalast

In der Wettkampfklasse 3 der „Rollis“ setzte sich Thomas Schmidberger im Finale gegen Thomas Brüchle (Tischtennis Frickenhausen) mit 11:9, 11:8 und 11:8 durch, Valentin Baus gewann in der Klasse 5 in vier Sätzen gegen den Koblenzer Selcuk Cetin. Brüchle, einer von zahlreichen Lokalmatadoren aus Frickenhausen, gelang in der Doppelkonkurrenz die Wiedergutmachung, als er sich im Endspiel mit Partner Jan Gürtler (RSC Berlin) in fünf Sätzen gegen Schmidberger/Baus durchsetzte. Auch im gemischten Doppel landete der dreifache Paralympicsteilnehmer sowie mehrfache Welt- und Europameister ganz oben auf dem Treppchen. Mit Partnerin Sandra Mikolaschek, die in Sindelfingen drei Mal Gold gewann, war er nicht zu bezwingen. Aus dem Team Baden-Württemberg kamen neben Brüchle auch Andrea Divkovic (Salamander Kornwestheim, Wettkampfklasse 11), Stephani Sterr (Tischtennis Frickenhausen, WK AB), Michael Roll (Tischtennis Frickenhausen, WK 10 Einzel und Doppel) und Moritz Blumenstock (SV Mitteltal-Obertal, WK 8) in den Genuss eines oder mehrerer DM-Titel.

Mit der 16-jährigen Gracia Rentschler, die im Regelsport in der Frauen-Verbandsliga spielt, schaffte es auch eine Athletin aus den Sindelfinger Reihen auf das Podest. Nach dem Sieg in der Vorrundengruppe der Wettkampfklasse AB (allgemeine, leichte Behinderung) musste sich die Diabetikerin erst im Endspiel der Frickenhausenerin Stephani Sterr nach vier Sätzen geschlagen geben. Im Doppel mit Partnerin Nina Reck (TV Bühl) ergatterte sie zudem die Bronzemedaille, das Halbfinal-Aus ereilte die beiden gegen Lena Kramm/Marlene Reeg (BSV München/TTG Büßfeld). Der Kornwestheimer Simon Bergmeister, derzeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes für den TTV Gärtringen im Einsatz, bejubelte zwei dritte Plätze im Einzel und Doppel derselben Wettkampfklasse.

Richtungsweisender Schritt

Erstmals fanden in Sindelfingen alle Wettbewerbe – die der Rollis, der Stehenden und der Akteure mit einem intellektuellen Handicap – in einer Wettkampfstätte statt. Was von vielen auch deshalb als richtungsweisender Schritt gesehen wurde, da hier mit dem DBS (Deutscher Behindertensportverband) und DRS (Deutscher Rollstuhl-Sportverband) zwei unterschiedliche übergeordnete Verbände eingebunden sind. „Es wäre schön, wenn beide Verbände zukünftig verstärkt an einem Strang ziehen würden und nicht ihr eigenes Süppchen kochen würden “, merkte ein Rollstuhlathlet kritisch an. Unter diesem Gesichtspunkt stellten die zusammengefassten Meisterschaften auch für den Esslinger Harald Laue eine „DM unter dem Prüfstand“ dar. „Das Turnier erfüllte letztendlich alle Erwartungen“, sagte der stellvertretende DBS-Abteilungsleiter Tischtennis und neu gewählte Vizepräsident Behindertensport im WBRS, der sich zudem vorstellen könnte, im Glaspalast auf Grund der „optimalen Infrastruktur“ auch einmal ein internationales Weltranglistenturnier über die Bühne zu bringen.

Nach dem Turnier ist vor dem Turnier: Zahlreiche Spieler des Nationalkaders und das Trainerteam um Volker Ziegler machten sich gleich am Maifeiertag auf den Weg nach Montenegro, wo es gilt, wertvolle Weltranglistenpunkte in Hinblick auf die Paralympischen Spiele 2024 in Paris zu sammeln.

Bild: Aushängeschilder wie die Paralympics-Medaillengewinner Valentin Baus und Thomas Schmidberger gingen ebenfalls an den Start.

Quelle: SZ/BZ-Online