Nach seinem Paralympics-Sieg in Rio de Janeiro im vergangenen Sommer ist Niko Kappel am Wochenende in München nun der nächste Streich gelungen: Der kleinwüchsige Kugelstoßer des VfL Sindelfingen hat mit 13,78 Metern einen neuen Weltrekord aufgestellt.
Bei den Paralympischen Spielen erlebte Niko Kappel im Sommer 2016 den ersten Höhepunkt seiner Karriere, als er mit neuer Bestleistung von 13,57 Metern in der Startklasse F41 die Goldmedaille vor seinem härtesten Konkurrenten, dem Polen Bartosz Tyszkowski, gewann. Als nächstes Ziel gab der selbstbewusste Behindertensportler die nur sieben Zentimeter entfernte Weltrekordmarke an. In den ersten Wettkämpfen dieser Saison erzielte Kappel dann zwar ordentliche Weiten, schaffte es auch die 13-Meter-Marke zu knacken, der Rekord schien aber in weiter Ferne.
Bis zu dem denkwürdigen Ludwig-Jall-Sportfest in München an diesem Pfingstwochenende. In der Woche zuvor hatte der 22-Jährige noch einen Tiefpunkt erlebt. Mit technischen Schwierigkeiten und einer Weite von sehr durchwachsenen 12,19 Metern enttäuschte er bei den deutschen Behindertenmeisterschaften. Daraufhin arbeitete der Schützling von Peter Salzer umso härter. „Wir haben uns unter der Woche Gedanken gemacht, was ich besser machen kann, viel an meiner Technik gearbeitet und Kleinigkeiten geändert. Das hat jetzt voll eingeschlagen“, sagt Kappel.
Der Wettkampf in München begann für den Sindelfinger durchwachsen. „Ich bin schwer reingekommen, habe mit zwölf Metern angefangen und konnte mich nur langsam steigern.“ Im vierten Versuch platzte dann endlich der Knoten. Kappel wuchtete seine Vier-Kilogramm-Kugel auf 13,61 Meter, eine neue Bestleistung, ein neuer deutscher Rekord, nur drei Zentimeter am Weltrekord von Tyszkowski vorbei. „Vor meinem letzten Stoß habe ich dann an Tobi Dahm gedacht“, sagt Kappel. Und das nicht etwa, weil sein deutlich größeres Vorbild, Trainingskamerad und Olympiateilnehmer Tobias Dahm gerade aufgrund eines Achillessehnenrisses außer Gefecht gesetzt ist und in dieser Saison wohl eher keinen Wettkampf bestreiten wird: „Er sagt immer zu mir, ich soll meine Schuhe gescheit binden. Meine saßen aber locker, also habe ich sie ordentlich festgemacht.“ Mit dem Gedanken „jetzt oder nie“ trat Niko Kappel anschließend in den Kugelstoßring. Der weite Stoß, der nun folgte, bugsierte ihn mitten hinein ins große Kugelstoßerglück. Gemessen wurden 13,78 Meter. Ein neuer Weltrekord. „Für mich ein absoluter Wahnsinn. Ein absoluter Traum der Weltrekordhalter zu sein. Jetzt habe ich es tatsächlich geschafft, das Gefühl ist unfassbar.“
Doch Niko Kappel wäre nicht so weit gekommen, wenn er nicht schon das nächste Ziel im Auge hätte: Sein dritter Streich soll in London folgen. Mitte Juli finden in der englischen Hauptstadt die Weltmeisterschaften statt. Der Weltmeistertitel fehlt dem Kugelstoßer noch in der Sammlung. Der Weg zum absoluten Triumph dürfte allerdings kein einfacher sein. „Ich will um den WM-Titel kämpfen. Ich denke aber 13,78 Meter werden da noch nicht reichen. Da muss ich ein Stückchen drauflegen“, ahnt Kappel. Die Konkurrenz ist stark, vor allem Bartosz Tyszkowski ist ihm auf den Fersen und wird seinen Weltrekord zurückholen wollen. Doch Niko Kappel sieht auch nach seiner Rekord-Weite noch Potenzial. „Ich war gut hinter der Kugel, der perfekte Stoß war es aber auf jeden Fall noch nicht. Da ist noch ordentlich was drin.“ Er hofft die Form weiter ausbauen zu können. „Ich will meine Technik festigen und hoffe, dass die Kugel in der nächsten Zeit noch weiter fliegt.“
Vor allem aber freut sich Niko Kappel jetzt auf die Weltmeisterschaften in London, das Aufeinandertreffen mit den Konkurrenten aus aller Welt im Mutterland des Behindertensports. „Ich kann es kaum erwarten in London in den Ring zu steigen.
Der Meister und sein Werk: Mit einer Weite von 13,78 Metern holt sich der Sindelfinger Kugelstoßer und Paralympics-Sieger Niko Kappel beim Münchner Ludwig-Jall-Sportfest den Weltrekord. Bild: z
Quelle: SZ-BZ Online