Leichtathletik: Lea Riedel trotzt allen sportlichen Rückschlägen
Die 21-jährige Sindelfinger Kugelstoßerin knackt gleich im ersten Wettkampf die Norm für die Junioren-Europameisterschaften
Für Lea Riedel hat die Freiluftsaison gut begonnen. Gleich im ersten Wettkampf stieß die Leichtathletin im Trikot des VfL Sindelfingen ihre Kugel über die geforderte Marke für die Junioren-Europameisterschaften. Doch damit will sich die 21-Jährige nicht zufrieden geben, sie locken die 17 Meter und internationale Wettkämpfe.
Nieselregen, kalte Temperaturen und keine Zuschauer – der Saisoneinstieg von Lea Riedel mutete nicht gerade vielversprechend an, dennoch setzte die Sindelfingerin in Bad Boll gleich ein erstes Zeichen. Bei 16,24 Metern landete die 4-Kilogramm-Kugel, Riedel setzte sich unter der nationalen U23-Konkurrenz auf Platz eins und darf mit ihrem zweiten Einsatz im Deutschlandtrikot liebäugeln. „Mir war es wichtig, die Norm gleich im ersten Wettkampf abzuhaken. Jetzt kann ich mich auf meine Technik konzentrieren“, so Lea Riedel.
Nun hofft die Kugelstoßerin, dass die Junioren-Europameisterschaften, die vom 8.bis 11. Juli im norwegischen Bergen ausgetragen werden sollen, auch stattfinden. Und natürlich, dass der Deutsche Leichtathletik Verband (DLV) seine U23-Athleten teilnehmen lässt. Erst vor wenigen Wochen nämlich, musste Riedel eine in dieser Hinsicht schmerzhafte Erfahrung machen. Nachdem der Winterwurf-Europacup 2020 wegen Corona abgesagt werden musste, konnte auch der diesjährige Termin im März im portugiesischen Leiria, aufgrund der Pandemie-Folgen nicht eingehalten werden. Die Vorfreude war groß, als die kroatische Hafenstadt Split schließlich als Austragungsort für einen frühlingshaften Werfer-Europacup im Mai ausgewählt wurde. Mit ihren Leistungen aus dem Vorjahr wähnte sich Lea Riedel nämlich als sicheres Mitglied der U23-Mannschaft.
„Gerade für uns U23-Athleten wäre ein Einsatz beim Europacup super gewesen, um internationale Erfahrung vor der EM zu sammeln“, sagt Lea Riedl, die wie ihr Trainingskamerad Eric Maihöfer von einer Teilnahme träumte. Doch der DLV überbrachte zwei Wochen vor der Veranstaltung die Absage. „Sie haben beschlossen, die Junioren nicht mit nach Kroatien zu nehmen, obwohl die Juniorenwettkämpfe stattgefunden haben. Ich habe nachgeschaut – ich wäre Dritte geworden.“ Mit Rückschlägen kennt sich die 21-Jährige Psychologie-Studentin nämlich aus. Schon als Grundschülerin war das Energiebündel zur Leichtathletik gekommen, turnte aber noch lange parallel und profitiert bis heute vom erlernten Körpergefühl. In den Schülerklassen war Riedel als Mehrkämpferin erfolgreich und gewann gleich drei deutsche Vizemeistertitel. „Dann konnte ich aber aufgrund einer Bandscheiben-Vorwölbung keinen Hochsprung und Speerwurf mehr machen und habe mich auf die Einzeldisziplinen konzentriert“, erinnert sich Riedel. Die Entscheidung brachte das Jahr 2016.
Vor den Deutschen Jugendmeisterschaften konzentrierte sich die Sportlerin damals voll auf das Kugelstoßen und trainierte sechs intensive Wochen mit Trainer Peter Salzer am Olympiastützpunkt Stuttgart. „Wir haben meine Technik umgestellt, vom Angleiten auf eine Dreivierteldrehung. Ich habe mich dann im Wettkampf um 1,5 Meter gesteigert und gewonnen.“ Die damals 17-Jährige wurde auf Anhieb in den Bundeskader berufen. Das Jahr 2018 hielt die nächste Herausforderung bereit. Nach dem Abitur wechselte Lea Riedel mit einem Sportstipendium an die University of Kansas. „Der Trainer dort hat meine Technik ruiniert. Er kam vom Diskuswerfen, das kann man nicht so einfach auf die Kugeldrehung übertragen und mein Körper war den hohen Umfang des Trainings dort nicht gewohnt“, erzählt die Athletin. So verpasste sie die U20-WM.
Wieder in Deutschland musste Riedel zurück auf die Angleit-Technik wechseln, das Drehstoßen wollte nicht mehr klappen. Dennoch holte die Kugelstoßerin ihren nächsten Deutschen Meistertitel. Im Frühjahr 2019 durfte sie sich beim Winterwurf-Europacup in Samorin (Slowakei) zum ersten Mal das Nationaltrikot überstreifen. Im Herbst des selben Jahres folgte eine Knie-Operationn. „In der folgenden Saison haben wir uns die Zeit genommen, die Drehstoßtechnik von Grund auf neu zu erlernen.“ Weil Riedel aber im Corona-Jahr nicht gleich nahtlos an den alten Leistungsstand anknüpfen konnte, verlor sie ihren Bundeskaderstatus. „Gerade für mich als Studentin bedeutet das, auf die Sporthilfe verzichten zu müssen, von der man immerhin seine Miete bezahlen kann. Für mich ist mein Sport gerade nur möglich, weil mich der VfL Sindelfingen unterstützt“, sagt Lea Riedel, die außerdem dafür kämpfen musste, am Olympiastützpunkt Stuttgart weiter Physiotherapie und Kraftraum nutzen zu können.
Nun geht der Blick aber nach vorne. „Ich will in diesem Jahr 17 Meter stoßen, die wird man sicher für eine Medaille bei den Europameisterschaften brauchen“, hat sich die Sindelfingerin fest vorgenommen. In Bad Boll ging der erste Schritt in die richtige Richtung, bei den Hallesche Werfertagen soll es für Lea Riedel schon am heutigen Samstag weiter gehen. Hoffentlich bei besserem Wetter.