Judo: VfL-Judoka schultern souverän Mammut-Turnier

Großer Sport in Sindelfingen.

1980 Teilnehmer aus 29 Nationen und 302 Vereinen gehen im Sindelfinger Glaspalast auf die Matten.
Und wie bei der Fußball-EM spielt auch der Videobeweis eine wichtige Rolle. Hier ist er jedoch unumstritten.

Sie haben es – wieder einmal – mit Bravour geschafft. Die Mitglieder und Freunde der VfL-Judoabteilung schulterten souverän das 22. Internationale Judoturnier im Sindelfinger Glaspalast, welches mit einer Rekordbeteiligung von 1980 Kämpferinnen und Kämpfern aller Altersklassen aus 302 Vereinen und 29 Nationen am Sonntagabend zu Ende ging. Und der Glaspalast hat sich abermals als idealer Veranstaltungsort für das inzwischen größte Judoturnier Deutschlands erwiesen.

Dafür haben sie ihren guten Ruf als Organisatoren und exzellente Gastgeber aufs Neue gefestigt. Jan Steiner, heute Judo-Landestrainer in Thüringen, hatte seinerzeit als Sindelfinger Chef-Coach das Turnier als Ersatz für das Trompeter-Turnier in Bad Säckingen nach Sindelfingen geholt. Am Wochenende war er wieder in Sindelfingen zu Gast und war sichtlich angetan davon, wie sich sein „Baby“ entwickelt und welches Ansehen es in der Judowelt inzwischen hat.

Der Ruf des Turniers ist bis nach Kirgisistan, Tunesien, Australien und Israel gedrungen, den wohl entferntesten Nationen, aus denen Teilnehmer nach Sindelfingen kamen. International auch das 57 Frauen und Männer umfassende Kampfrichter-Team, in dem sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Ukraine und Australien befanden.

„Wir hätten das alles nicht geschafft ohne das Engagement unserer Abteilungsmitglieder und Freunde“ bilanzierte am Sonntagabend ein sichtlich geschaffter Simon Kirsten, der als sportlicher und organisatorischer Leiter des Ganzen die Fäden in der Hand hielt. „Die haben ein ganz dickes Dankeschön verdient.“

Coach als Coiffeur

Ohne Dutt geht nichts. Und auf der Judo-Matte bei den Kämpfen der Frauen schon gar nicht. Denn die Wettkampfregeln besagen: Die Kämpferinnen müssen, wenn sie lange Haare haben, diese hochstecken, damit sie nicht im Kragen der Judojacke eingeklemmt werden, was während des Kampfgetümmels für die Betroffene sehr schmerzhaft werden kann. Und so wandelt sich mancher Coach am Mattenrand zum Coiffeur, so wie dieser Trainer, der im Glaspalast seinem Schützling am Mattenrand noch die richtige Frisur verpasst.

Richtertisch statt Matte

Der dicke Pott, der Pokal für den besten teilnehmenden Verein des Turniers, ist nicht – wie das in früheren Jahren sehr oft der Fall war – bei der VfL-Judoabteilung geblieben. Die Sindelfinger Judoka haben diesmal angesichts des großen Teilnehmerdrangs nämlich viele ihrer Kämpferinnen und Kämpfer von der Matte an den Mattenrand und an die Kampfrichtertische versetzt. Das Kämpfen war am Wochenende nicht die Hauptsache, wichtiger war der reibungslose Ablauf des größten deutschen Judoturniers.

Und noch eins kommt hinzu: Simon Kirsten – Cheforganisator und sportlicher Leiter des Turniers – wollte seinen Mannen etwas schonen: Am vergangenen Samstag kämpften sie in der Bundesliga und siegten haushoch über Bad Homburg und am kommenden Samstag werden sie auf heimischer Matte gegen Verfolger Ravensburg antreten. „Da muss ich schon – gewissermaßen als Arbeitgeber meiner Kämpfer – für Schonung und Ruhepausen sorgen.“

Der Videobeweis – unentbehrlich

In diesen Tagen vor allem wegen der Fußball-Europameisterschaft – ist das Thema Videobeweis in aller Munde. Bei vielen Mannschaften, darunter auch bei der Deutschen – war der Torjubel rasch verstummt, wenn der Schiedsrichter die berühmte Geste des Rechtecks in die Stadionluft zeichnete. Auch im Judo hat der Videobeweis inzwischen Einzug gehalten. Stephan Bode, amtierender Chefkampfrichter des Deutschen Judobundes, drückt es so aus:

„Der Videobeweis im Judo kann vieles, aber nicht alles. Er ist in jedem Fall ein sehr nützliches Mittel, um Diskussionen auf der Matte, am Mattenrand und bei den Zuschauern zu versachlichen.“ Und wie um das zu bestätigen, stürmt ein aufgebrachter Coach auf den Kampfrichtertisch zu, protestiert lautstark gegen die Entscheidung des Mattenrichters, zieht sich dann aber wesentlich ruhiger und kleinlauter wieder zurück, nachdem ihm Bode am Bildschirm bewiesen hat, dass die Entscheidung des Mattenrichters doch die richtige gewesen war.

Bis gegen Ende 2010 waren die Judomatten noch mit zwei Seitenrichtern und einem Hauptkampfrichter besetzt. Lautstarke Debatten mit Eltern, Betreuern und Kämpfern gehörten zum Veranstaltungsalltag. Inzwischen haben die beiden Mattenrichter die Position gewechselt, sitzen am Kampfrichtertisch vor dem Bildschirm und bestätigen oder korrigieren von dort aus die Entscheidung ihres Kollegen oder ihrer Kollegin auf der Matte. Und wenn es ganz kniffelig wird, dann hat ein Mitglied der Kampfrichter-Kommission nach ausführlichem Video-Studium das letzte Wort. Seitdem ist es ruhiger geworden. „Die Protestierenden akzeptieren in aller Regel nach Blick auf das Kampfvideo die Kampfrichterentscheidungen. Das hat sehr zur Versachlichung beigetragen“, fasst Bode zusammen.

Bild: Der Videobeweis: Beim Judo ist er unumstritten. Bild: Vilz

Quelle: Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung Online